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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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vor, wollte er anschließend die Gelegenheit nutzen, seine Mutter und die Cousinen zu besuchen. Nach den freien Tagen für die Kieler Woche hätte er ein schlechtes Gewissen gehabt, aus privaten Gründen noch mehr Urlaub zu nehmen, und war sofort zur Baustelle zurückgekehrt. Anschließend hatte ihn ein schlechtes Gewissen geplagt, weil er seine Mutter nicht besucht hatte. Schließlich war er der einzige Sohn, der sich noch halbwegs in der Nähe befand.

    Das Bankgebäude war aus grauem und rötlichem Granit gebaut, drei Stockwerke hoch und hatte ein Dach aus schwarz glasierten Dachpfannen. Es war eckig und uneinnehmbar wie eine Festung. Bei seinem ersten Besuch hatte es nicht so abweisend gewirkt, aber jetzt erschien es ihm wie eine einzige große Machtdemonstration. Dass vor dem Haupteingang norwegische Fahnen wehten, tat dem machtvollkommenen, offiziellen Eindruck keinen Abbruch. Vom schwedischen Blau-Gelb war nichts mehr zu sehen.
    Lauritz’ Unbehagen nahm zu. Ihm war körperlich unwohl, als er Punkt drei Uhr wie vereinbart durch die schwere Eingangstür trat. Er ging davon aus, dass man ihn wie beim letzten Mal in einem Vorzimmer warten lassen würde,
aber eine junge Dame mit einem etwas zu engen, langen schwarzen Kleid eilte auf ihn zu und teilte mit, Bankdirektor Sievertsen erwarte ihn bereits, wenn er ihr bitte nach oben folgen würde.
    Das Büro, das er betrat, war doppelt so groß wie das beim letzten Mal. An der Wand hingen keine Seestücke, sondern norwegische Landschaften und an der Decke drei Kronleuchter. Die Marmorsäulen, die die Türen flankierten, schienen echt zu sein und nicht aus bemaltem Holz. Das Büro wurde von einem riesigen, blank polierten Tisch dominiert. An der Schmalseite erhob sich ein älterer, etwas korpulenter Herr und ging mit ausgestreckter Hand und einem übertriebenen Lächeln, das eher nervös als herzlich wirkte, auf Lauritz zu.
    »Ingenieur Lauritzen! Ausgezeichnet, dass Sie so umgehend kommen konnten«, begrüßte ihn der Bankdirektor und deutete auf einen Stuhl am Ende des gigantischen Konferenztisches, an dem er zusammen mit einem jüngeren Mitarbeiter gewartet hatte. Er stellte den Mitarbeiter als Oberbuchhalter Bjørgnes vor.
    Der Oberbuchhalter hatte einen trockenen und kalten Händedruck, die Hand des Bankdirektors war warm und feucht.
    Sie nahmen Platz. Lauritz musste sich sehr zusammennehmen, um nicht zu zeigen, wie nervös er war. Der Bankdirektor räusperte sich und betrachtete den Papierstapel, der vor ihm auf dem Tisch lag. Der Oberbuchhalter schob ihm servil einige Papiere zu. Der Bankdirektor nickte und räusperte sich erneut.
    Lauritz hatte beschlossen, abzuwarten, bis sein Gegenüber etwas sagte. Dieses Mal würde er sich nicht so weit
erniedrigen, eine Bitte zu äußern, die ihm abgeschlagen werden konnte. Sie wiederum schienen zu erwarten, dass er das Gespräch eröffnete, und sahen ihn gespannt an. Aber er blieb hart und schaute demonstrativ an die himmelblaue Decke, an der kleine Cherubim zwischen den Kronleuchtern herumzuschwimmen schienen, statt zu fliegen.
    »Ich hatte bereits telefonisch das Vergnügen, Ihnen mitteilen zu können«, begann der Bankdirektor, dem Lauritz’ Schweigen keine andere Wahl ließ, »dass wir uns erlaubt haben, den Kauf des Horneman-&-Haugen-Aktienpostens für fünfzehntausend Kronen zu tätigen. Die Aktien sind jetzt sowohl im Aktienbuch der Firma als auch hier bei uns in der Bank als Ihr Besitz eingetragen, Ingenieur Lauritzen.«
    Diese Sprache ist wie die Koloratur in der Oper, dachte Lauritz, eine gekünstelte Sprache für einen eigenartigen Geschmack. Offenbar besaß er jetzt also diese verdammten Aktien, die ihm solche Qualen bereitet und derentwegen er sich so erniedrigt hatte. Er hätte aufstehen und mit erhobenen Armen und geballten Fäusten jubeln mögen, aber die beiden Bankleute hatten immer noch etwas Nervös-Abwartendes, das ihn verunsicherte. Wo war der Haken? Die beiden wirkten sehr bedeckt, eingeschüchtert geradezu.
    »Ich nehme an, dass das Geld von einem Konto der Deutschen Bank überwiesen wurde?«, fragte er mehr aus Höflichkeit, um das unangenehme Schweigen zu überbrücken. Die beiden anderen nickten mehrmals hintereinander, was unbeabsichtigt komisch aussah. Lauritz fiel es schwer, sich ein Lächeln zu verkneifen.
    »Nun denn«, meinte er und breitete die Hände aus. »War es das, oder gibt es noch weitere gute Neuigkeiten?«
    »Es böte sich ein ganzes Spektrum von Möglichkeiten
an«, erwiderte der

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