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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Familie hatten Oscar jede Nacht gequält, nachdem er sein Moskitonetz über sein Bett gezogen und den Schlaf gesucht hatte. In dieser Nacht stellte er sich stattdessen von Rachegefühlen erfüllt vor, wie die Mörder, die englischen Marineoffiziere, selbst im Höllenfeuer verbrannt waren.
    Am nächsten Tag traf eine typische Burenochsenkarrenkarawane auf der Baustelle ein. Sie wurde von Christian Beyers angeführt, den Oscar flüchtig kannte. Christian war Bure, was von seinem Aussehen und Auftreten unterstrichen wurde. Er war groß und laut. Sie hatten 1909 ein paar
Nächte im Kongo zusammen verbracht und auf die passende Gelegenheit gewartet, ihr Elfenbein über den Nil zu schmuggeln. Beyers war ein bekannter Großwildjäger, er hatte aber auch versucht, eine Kaffeeplantage an den Hängen des Kilimandscharo anzulegen. Er gehörte zu den Buren, die Südafrika nach dem Sieg der Engländer im zweiten Burenkrieg verlassen hatten. Oscar würde die Engländer bis in alle Ewigkeit verabscheuen, aber verglichen mit dem glühenden Hass Christian Beyers’ waren seine Gefühle regelrecht gemäßigt.
    Christian, der wusste, dass Oscar sich auf dieser Baustelle befand, hatte sechs Flaschen Bier mitgebracht, die er Oscar jetzt feierlich als Geschenk überreichte. Er bedauerte, dass das Bier nicht die richtige Temperatur hatte, aber Eis war in dem Lager natürlich nicht zu bekommen.
    »Kein Problem«, versicherte Oscar. »Eine Stunde nach Sonnenuntergang werde ich das Bier kalt servieren.«
    Er nahm die Flaschen, tauchte drei Paar Wollsocken ins Wasser, schob die Flaschen hinein und band sie an einen Ast, sodass sie von der Abendsonne beschienen wurden.
    Sie aßen an diesem Abend gemeinsam und erzählten sich Jagdgeschichten, als wollten sie beide das Thema Krieg meiden. Wie versprochen servierte Oscar zwar kein eiskaltes, aber ein angenehm kühles Bier. Christian staunte. Die Gesetze der Physik, erklärte Oscar. Wasserverdunstung entzieht Wärme, dadurch entstehe ein Kühleffekt.
    Sie tranken feierlich ihr Bier. In der andächtigen Stimmung hatten sie plötzlich keine Lust mehr, von Treffern aus großer Distanz, von verletzten Büffeln, die aus dichtem Gebüsch angriffen, oder von angreifenden Nashörnern, die von vorn kaum mit einem Schuss zu erlegen waren, zu
sprechen. Der Burenjäger wechselte das Thema, indem er sich vorsichtig erkundigte, wie es Oscar hierher verschlagen habe. Und so hob Oscars hasserfüllter Bericht über die englischen Mörder an. Wenn der Krieg einmal vorüber sei, würde sich kaum feststellen lassen, ob die Engländer oder die Belgier verachtenswerter seien. Vieles sprach natürlich für die Belgier, die in den Zeiten des abscheulichen Leopold II. über sechs Millionen Menschen im Kongo ermordet haben sollen. Sechs Millionen Ermordete! Dieses Verbrechen würde die Menschheit nie vergessen. In keinem europäischen Land wäre so eine Barbarei denkbar, am allerwenigsten in Deutschland und den skandinavischen Ländern.
    Andererseits konnte man nicht wissen, wie viele Morde und Grausamkeiten die englischen Imperialisten in Indien und Afghanistan begangen hatten, das behielten sie wohlweislich für sich.
    Nach Christian Beyers’ Meinung waren die Engländer das verabscheuungswürdigste Volk der Welt, verdomte rooineks , wie er sie nannte. Das wusste er aus eigener Erfahrung, die ihm unter die Haut gefahren und bis tief in seine Seele vorgedrungen war. Auf dem Schlachtfeld zeichneten sie sich nicht sonderlich aus, versicherte er. Solange der Burenkrieg ein richtiger Krieg war, seien die Engländer unterlegen gewesen. Vor allen Dingen, wenn man es vermied, nach ihren Regeln aus dem 19. Jahrhundert Krieg zu führen, gemäß welchen zwei einander gegenüberstehende Einheiten erst in geraden Reihen aufeinander zumarschierten, dann innehielten und gleichzeitig aus nächster Nähe aufeinander feuerten. Im Transvaal hatten die Buren jedoch die Guerillataktik verwendet und auf diese
Weise die Rotnacken ziemlich dezimiert, ohne nennenswerte eigene Verluste zu erleiden.
    Dann hatten die Engländer ihre Strategie geändert und waren zur feigsten Kriegsführung übergegangen, die der Mensch je ersonnen hatte. Da sie der Buren nie habhaft werden konnten, hatten sie sich in die landwirtschaftlichen Gebiete begeben und dort alle Höfe und Felder niedergebrannt und die Frauen und Kinder in Konzentrationslager gesteckt, wo sie langsam verhungert waren. Über zwanzigtausend Frauen und sechstausend Kinder waren gestorben. Die

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