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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Botschaft der Engländer war eindeutig gewesen. Wenn ihr euch nicht ergebt, dann sterben alle eure Frauen und Kinder langsam, aber sicher.
    Kein halbwegs normaler Mann wäre fähig gewesen, sich dieser Art von Erpressung auf Dauer zu widersetzen. Daher hatten die Buren aufgegeben und waren nicht auf dem Schlachtfeld, sondern durch den Massenmord an ihren Frauen und Kindern besiegt worden.
    Christian Beyers’ Frau und seine drei Kinder gehörten zu den Opfern, den Ermordeten. Und das nur, weil die verabscheuungswürdigen Rotnacken sich das Gold im Transvaal unter den Nagel reißen wollten. Aus diesem Grunde waren er und viele seiner Kameraden nach Deutsch-Ostafrika oder Deutsch-Südwestafrika geflohen, als die Kapitulation ausgesprochen war und man den Transvaal der Südafrikanischen Union unter der englischen Krone einverleibt hatte.
    Man konnte natürlich der Meinung sein, dass sich die haarsträubende Zahl von sechs Millionen von den Belgiern ermordeten Menschen bei diesem Rechenspiel der Grausamkeiten nicht übertreffen ließ, aber es bestand ein entscheidender
Unterschied zwischen Belgiern und Engländern. Jedenfalls war Beyers dieser Meinung. Die Belgier hatten Eingeborene ermordet, die Engländer weiße Frauen und Kinder.
    Die Geschichte der englischen Barbarei, derer er sich nicht bewusst gewesen war, aber vor allen Dingen der Hass, der aus Christian Beyers’ Augen leuchtete, verschlug Oscar die Sprache. Die Unterhaltung ließ sich nicht fortsetzen.

    Es vergingen über zwei Monate, bis Oscar den Krieg aus der Nähe erlebte. Da hatte er schon längst die zusätzliche Eisenbahnverbindung von Handemi nach Mombo fertiggestellt. Seine Einheit war weiter nach Norden nach Moshi am Fuß des Kilimandscharo verlegt worden, wo von Lettow-Vorbeck sein Hauptquartier eingerichtet hatte. Die Strategie war, dem Gegner zuvorzukommen, sich auf britischem Territorium festzusetzen, damit die Engländer anderes zu tun hatten, als die deutsche Hafenstadt Tanga von Mombasa aus über die Küste einzunehmen. Daher hatte Oscar den Auftrag erhalten, eine Eisenbahnlinie aus dem eigenen Territorium zur besetzten und befestigten Stadt Taveta zu bauen. So waren sie den Engländern gegenüber immer im Vorteil, deren Transporte zum Beistand oder zur Zurückeroberung Tavetas aus der anderen Richtung durch wegloses Land ohne Wasser führten.
    Während eines Offiziersdiners in Moshi, zu dem Oscar, jedenfalls hegte er den Verdacht, nur eingeladen worden war, weil er das Hauptgericht beigetragen hatte, drei Duiker-Böcke, die auf einem rotierenden Spieß gebraten wurden, hörte er von Lettow-Vorbeck davon erzählen, was als
Nächstes geschehen würde. Er war ebenso fasziniert wie beeindruckt von dem ruhigen, siegessicheren Vortrag des Oberbefehlshabers.
    Da der Grenzkrieg zu Lande die Engländer nicht voranbrachte, würden sie als Nächstes eine Invasion vom Meer aus versuchen. Aber sie würden nicht Dar angreifen, sondern Tanga. Die Wahl des Angriffsziels liege auf der Hand. Dar als Brückenkopf müsse ständig von See aus versorgt werden. Aber mit der Einnahme Tangas würden die Engländer gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Sie hätten damit den Anfang der nördlichen Bahnstrecke zum Kilimandscharo in ihrer Gewalt und könnten von Mombasa aus Verstärkung die Küste entlang zu ihrem Brückenkopf schicken. Anschließend würde als selbstverständliche Konsequenz der große Vorstoß auf Daressalam erfolgen. Man müsse kein Hannibal sein, um dies vorauszusehen. Oscar hatte sich sagen lassen, dass Hannibal und Alexander der Große von Lettow-Vorbecks militärische Vorbilder waren.
    Folglich verstärkte man jetzt die Garnison in Tanga und bereitete Eiltransporte mit der Eisenbahn vor, für den Fall, dass die Engländer angriffen. Das war in seinen Augen nur eine Frage der Zeit.
    Oscar kam sich wie ein ausgeprägter Zivilist vor, als er sich die Unterhaltungen der Offiziere anhörte. Er konnte ihren Erwägungen nicht ganz folgen und verstand vor allen Dingen nicht, wie sich der höchste Chef hinsichtlich der zukünftigen Ereignisse so sicher sein konnte.
    Einige Wochen später, am 3. November, traf ein Telegramm aus Tanga ein, in dem zu lesen stand, dass die englischen Truppen an Land gingen. Vierzehn Landungsboote
unter dem Schutz des Kreuzers HMS Fox waren eingetroffen, und die englischen Truppen, nach Berechnungen zehntausend Mann, strömten an Land. In Tanga hatte Deutschland nur achthundert Mann, also eilte es, Verstärkung

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