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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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es zehn gut bewaffnete Soldaten, Askaris, was eine nicht unerhebliche Feuerstärke bedeutete. Kannibalen konnten sie aufspüren und unschädlich machen.
    Als er jedoch den im ausgetrockneten Flussbett aufgefundenen, zerfetzten Arm eingehender betrachtete, stellte er fest, dass es sich um etwas ganz anderes handeln musste. Er rief seinen Assistenten Hassan Heinrich zu sich und bat ihn,
den Jäger Kadimba zu holen. Gemeinsam suchten sie dann weiter den Flussarm ab. Oscar hatte sein Mausergewehr unter dem Arm und Kadimba sein Reservegewehr, eine Mannlicher. Sie brauchten nicht weit zu gehen, bis sie den Leichnam eines der verschwundenen Kreosot-Arbeiter gefunden hatten. Es war fast kein Fleisch mehr an den Knochen. Kadimba erklärte, was geschehen war. Seine Schilderung des Vorfalls war sachlich und äußerst glaubwürdig. Außerdem wurde seine Erklärung von den Spuren im Sand untermauert, die er als Spuren zweier älterer Löwen beschrieb. Kadimba las die Spuren in der Natur mit derselben Selbstverständlichkeit, mit der andere Bücher lasen.
    Bwana Oscar müsse wissen, sagte er, dass ältere Löwen von den jüngeren aus dem Rudel verstoßen würden, das sei unvermeidlich. Hier hatten sie es mit zwei alten Brüdern zu tun, die eigentlich nicht ohne ihre Frauen jagen konnten, die jetzt aber anderen Herren dienten. Sie holten keine Zebras mehr ein, und Antilopen noch viel weniger. Wenn sich Menschen in der Nähe befanden, jagten sie diese, da Menschen leicht zu töten waren, insbesondere bei Dunkelheit. Simba wisse, dass Menschen im Dunkeln nicht so gut sahen wie er. Diese beiden Brüder hatten nun eine Vorliebe für Menschenfleisch entwickelt und würden wiederkehren, um zu töten, bis sie selbst getötet würden.
    Das war eine entscheidende Erkenntnis, die sofort gewisse organisatorische Maßnahmen erforderlich machte. Sämtlichen Arbeitern musste der Grund für das nächtliche Verschwinden der anderen, wie unbehaglich die Wahrheit auch war, erklärt werden. Obgleich sie wahrscheinlich weniger unbehaglich war als die Vorstellung von Kannibalen und bösen Geistern.
    Außerdem konnten die Zelte an der Baustelle nicht mehr in preußisch-geraden Linien stehen bleiben. Stattdessen sollten sie in kleinen Kreisen angeordnet und jede Zeltgruppe von einer Boma aus Dornenbüschen umgeben werden. Diese Arbeit musste sofort beginnen und hatte Vorrang vor dem Brückenbau.
    Zudem musste die Jagd auf die beiden menschenfressenden Löwen organisiert werden. Das war zweifellos seine Aufgabe. Als stellvertretender Chefingenieur mit besonderer Verantwortung für den Brückenbau, wie sein Titel lautete, war er im Lager auch für Ordnung und Disziplin zuständig. Um die Ordnung aufrechtzuerhalten, hatte er bislang vier Nashörner geschossen, die das Lager angegriffen und nach Nashornart für Unordnung gesorgt hatten. Sie hatten den vom Regenwasser aufgeweichten Bahndamm zertrampelt und sehr viel Extraarbeit verursacht. Was die lästigen Giraffen anging, die ständig die Telegrafenleitung herunterrissen, hatte er aufgegeben. Es gab einfach zu viele von ihnen.
    Auf Anraten des Jägers Kadimba hatte er den einen oder anderen Elefanten getötet und liegen gelassen, um seine Artgenossen davon abzuhalten, sich der Eisenbahn zu nähern. Der Verwesungsgeruch schreckte sie ab. Vereinzelte Nashörner auf dem Bahndamm waren schlimm genug, eine Elefantenherde wäre eine reine Katastrophe. Kadimba und er hatten kontinuierlich Hartebeests und Impalas gejagt sowie andere kleinere Antilopen, um den Speisezettel des Lagers zu verbessern. Aber ein besonders talentierter Jäger war er nicht. Er konnte zwar schießen und war als Student in Dresden Mitglied der städtischen Scharfschützenkompanie gewesen, aber das war etwas ganz anderes. Und es
war auch nur ein schwacher Trost, dass sein Mausergewehr zweifellos das beste Gewehr der Welt war, dessen Durchschlagskraft jener der englischen Gewehre weit überlegen war. Denn jetzt ging es nicht um physikalische Gesetze, sondern um die Jagd auf Simba. Und das im Dunkeln.
    Während das Lager nach seinen Anweisungen umorganisiert wurde, er hatte alle anderen Arbeiten an diesem Tag einstellen lassen, saß er mit seinem Grammofon allein im Zelt. Unter den neuen Schallplatten, die er bei seinem letzten Urlaub in Daressalam gekauft hatte, war Schuberts »Unvollendete«, die er sich in melancholischen Phasen, oder wenn er wie jetzt über ein ernsthaftes Problem nachdenken musste, anhörte.
    Neben Dr. Ernst war er der

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