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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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loszulassen.
    Der weiße Tropenhelm war Teil der deutschen Uniform. Er selbst trug einen breitkrempigen Hut aus grobem, einer Plane ähnlichem Stoff, was zweifellos gegen das Reglement verstieß. Obendrein war er auch noch mit einem Band aus Leopardenfell verziert. Als Angestellter der Eisenbahngesellschaft hätte er korrekterweise einen Tropenhelm tragen müssen, den er nicht besaß. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als bei der Nationalhymne besonders Haltung anzunehmen.
    Ein Tropenhelm war im Busch eine lächerliche und unbequeme Kopfbedeckung, aber die herrschende Wissenschaft hatte festgestellt, dass der Kopf des weißen Mannes zu empfindlich für die starken und vertikalen Sonnenstrahlen am Äquator war. Man nahm an, das Gehirn des weißen Mannes liefe Gefahr, zu zerkochen, wenn es nicht von einem Tropenhelm bedeckt würde. Man erzählte sich über die Engländer, dass sie sogar mit dem Tropenhelm schliefen.
    So weit, so gut, Oscar stand stramm und bemühte sich, während der Nationalhymne an andere Dinge zu denken, um während der absurden Zeremonie nicht grinsen zu müssen.
    Aber damit war es nicht überstanden. Im Gegenteil.
    Askaris mit Tragestühlen wurden herbeigerufen, und eine Prozession wurde vorbereitet. Oscar machte den Anfang, dann kamen die beiden Männer mit den Löwenhäuten, hinter ihnen die Blaskapelle, anschließend eine zehn Mann starke Delegation der Eisenbahngesellschaft und des Generalgouverneurs und schließlich Askaris mit geschulterten Gewehren. Alles in guter deutscher Ordnung.
    Die Prozession führte ins Zentrum der Stadt, die Blaskapelle
spielte natürlich Marschmusik. Es ging zum Deutschen Haus, in dem der Club, das Restaurant und ein Teil der örtlichen Verwaltung untergebracht waren.
    Im großen Saal war alles für ein Fest vorbereitet. Die Blaskapelle hörte auf zu spielen, als sie eintrafen, aber stellte sich, was nichts Gutes verhieß, hinten im Saal auf. Oscar wurde zusammen mit den Herren Generalgouverneur und Eisenbahngeneraldirektor auf das Podium geschoben. Offenbar sollten Reden gehalten werden. Das Raunen im Publikum, das vielleicht hundertfünfzig Personen zählte, verstummte langsam. Peinlicherweise trug Oscar immer noch sein Gewehr über der Schulter und die Tasche mit Dr. Ernsts wertvollem wissenschaftlichen Material in der rechten Hand.
    Der Generalgouverneur hielt eine kurze, markige Rede. Er erklärte, was man gerade erlebt habe, sei eine der vielen Prüfungen Gottes gewesen. Man habe nie die naive Vorstellung gehegt, dass es einfach sein würde, den afrikanischen Kontinent auf ein gleichberechtigtes menschliches Niveau zu heben. Es lägen unerhörte Herausforderungen hinter und vor ihnen. Unter eine der grausamsten und brutalsten Prüfungen bei dem großen Eisenbahnprojekt konnte man nun endlich einen Strich ziehen.
    Der germanische Geist habe die Prüfung bestanden. Dafür gebührte Herrn Diplomingenieur Lauritzen von der Eisenbahngesellschaft der größte Respekt.
    Dann hielt Generaldirektor Dorffnagel in etwa dieselbe Rede mit der Ergänzung, dass es auch um die germanische Gesinnung der Eisenbahngesellschaft gehe.
    Das Fest konnte beginnen, sobald sich der stürmische Applaus gelegt hatte.
    Oscar wurde immer verlegener. Die Männer in der großen Gesellschaft waren hyperkorrekt gekleidet. Er selbst trug ein zu weites Khakihemd mit kurzen Ärmeln und großen Schweißflecken unter den Achseln, einen Hut mit einem Band aus Leopardenfell und Stiefel, die nicht geputzt waren. Nur seine deutsche Uniformhose, die Reithosen ähnelte und die er im Busch nie trug, entsprach einigermaßen der Kleiderordnung.
    Als er vom Podium herabstieg und während noch applaudiert wurde, brachte er vor dem höchsten Eisenbahnchef den Wunsch vor, sich einen Moment in sein Zimmer im Gasthaus der Eisenbahngesellschaft zurückziehen zu dürfen, um sich zu waschen und insbesondere umzukleiden.
    »Kommt nicht infrage, Herr Diplomingenieur. Sie sind der Held des Tages, und es ist doch sehr passend, dass Sie auch so aussehen. Darf ich Ihnen, bevor wir uns zu Tisch setzen, schon einmal ein ausgezeichnetes Weißbier anbieten, das gerade aus Dortmund geliefert worden ist? Es muss umgehend getrunken werden, bevor es verdirbt!«
    Damit war zumindest ein Problem aus der Welt geschafft, aber nur eins. Er erdreistete sich daher, dem höchsten Direktor einen weiteren Wunsch zu unterbreiten. Er wollte die Aktentasche von Dr. Ernst übergeben und bei dieser Gelegenheit gleich sein Mausergewehr in der

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