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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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auf ihm reiten wollen. Das hatte ihn entsetzt und verlegen gemacht.
    Das war eine im Bordell gängige Zerstreuung, die man aber ja wohl kaum mit dem Menschen vollzog, dem man in reiner Liebe zugetan war.
    Er bildete sich ein, zu hören, wie Gott ihn auslachte. Verrückt. Gott lachte ihn aus!
    Es war bald dunkel. Er erhob sich und ging weiter bergab.
    Natürlich war er erschöpft, aber gleichzeitig seltsam glücklich, als er auf die Tür der neuen Ingenieursbaracke in Finse zutaumelte.
    Der frostige Schnee knirschte unter seinen Schritten. Er erwog, seinen Schlafsack aus dem Rucksack zu nehmen, um unter freiem Himmel auf die Sterne zu warten. Aber vermutlich würde er erschöpft einschlafen wie ein Stein und am nächsten Morgen taunass erwachen. Er wollte noch etwas bis zur dunkelsten Stunde der Nacht warten.
    Es war typisch für Ingeborg, dass sie sich mit Themen beschäftigte, die nicht als besonders weiblich galten. So auch ihre Begeisterung für Astronomie.
    Erst hatte sie durchgesetzt, das Lehrerinnenseminar zu besuchen, um der Bedrohung, verheiratet zu werden, zu entgehen. Dann hatte sie eine Ausbildung zur Krankenschwester begonnen. In Deutschland galten die Töchter der Oberklasse im Kriegsfall als besonders geeignet für die Krankenpflege.
    Das war ihrerseits jedoch pure Berechnung gewesen. Als Lehrerin mit einem Krankenschwesterexamen verfügte sie über die formalen Qualifikationen, um sich an der medizinischen Fakultät in Dresden zu bewerben. Ein unerhörter Gedanke. Sie hatte noch nicht gewagt, ihrem Vater diesen empörenden Plan zu offenbaren.
    Ingeborg hatte Lauritz alle Sternbilder gezeigt, das gesamte Himmelsgewölbe schien sie zu kennen. Andromeda und Perseus waren ihre Lieblingssternbilder, und er fand sie fast immer.
    Er legte sich in den Schnee, verschränkte die Arme im
Nacken und begann mit den Augen den nördlichen Sternhimmel abzusuchen.
    In ihrem Brief hatte sie von einer wundersamen Erscheinung am Firmament geschrieben. Sie hatte über dieses Wunder gescherzt, vielleicht war es aber auch kein Scherz gewesen. In diesem Jahr, 1901, war ein neuer Stern im Sternbild Perseus aufgetaucht, der heller leuchtete als alles in seiner Umgebung. Sie hatte Erklärungen dafür gehabt, etwas mit Supernova, explodierenden Sonnen und anderem, aber dort sollte es also einen neuen, hell strahlenden Stern geben, der zeigte, dass Perseus, also er, Lauritz, ein Zeichen von dem Gott erhalten habe, an den er selbst glaubte.
    Mitten im Sternbild Perseus gab es wirklich einen neuen Stern, der viel heller strahlte als alle Sterne in seiner Umgebung.
    »Danke, lieber Gott«, murmelte Lauritz ganz entgegen seiner Gewohnheit, Gott nicht direkt anzusprechen.

VIII
OSCAR
    Deutsch-Ostafrika, November 1902

    Nach Kilimatinde hatten sie eine lange Strecke durch einen Miombowald vor sich, unkompliziertes Terrain also. In den nächsten Wochen konnten sie mühelos einen Kilometer Schienen am Tag verlegen.
    Andererseits war die schlimmste Zeit des Jahres angebrochen. Die Hitze war im November am Nachmittag unerträglich, und Oscar hatte sich widerwillig einverstanden erklärt, dass sich seine Arbeiter in den Schatten verzogen und drei Stunden einfach verschliefen. Es würde fast einen Monat dauern, bis es nach der kurzen Regenzeit erträglicher wurde.
    Für die Jagd hatte die Hitze Vorteile, insbesondere wenn sie über eine Lokomotive und einen abgedeckten Eisenbahnwaggon verfügten, die nach jedem Transport von Dar für einen Tag zur Verfügung standen.
    Er hatte Kadimba mitgenommen, und unter angeregter Unterhaltung mit dem Lokomotivführer waren sie etwa fünfzehn Kilometer weit die Strecke entlanggedampft und an dem Platz vorbeigekommen, an dem das Missionarspaar Zeltmann gerade seine Missionsstation errichtete. Ziel
ihrer Fahrt war eine Landschaft, die aus Savanne und Wald bestand. Dort gab es Impalas, Elenantilopen und Büffel. In nur wenigen Stunden hatten sie so viel Wild geschossen, dass sie für zehn Tage Frischfleischvorräte hatten, plus einen Reservevorrat an Dörrfleisch. Dazu wurde das Fleisch in Streifen geschnitten und in den Zweigen der Bäume um das Lager herum zum Trocknen aufgehängt. In der afrikanischen Hitze trocknete alles so schnell, dass sich Fliegenlarven nicht einnisten konnten.
    Das Ehepaar Zeltmann hatte den Platz, von dem sie hofften, dass sie ihn mit Genehmigung der Eisenbahngesellschaft Missionsstation würden nennen dürfen, mit einem einfachen Kreuz aus zwei groben Akazienstämmen markiert. Sie

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