Die Brückenbauer: Roman (German Edition)
andere.
»Sprechen Sie Swahili?«
»Ja, viel besser.«
»Gut. Und wie heißen Sie.«
»Mohamadali Karimjee Jiwanjee.«
»Ich heiße Oscar Lauritzen.«
»Ich weiß. Ich kann es aber nicht aussprechen.«
Würdig schritten sie Seite an Seite in das Lokal, und alle Gespräche verstummten, als man sie zum besten Tisch führte. Als sie sich gesetzt und die Speisekarte erhalten hatten, hoben an den anderen Tischen des Clubs die Unterhaltungen wieder an.
»Sie heißen also nicht Singh, sondern Mohamadali. Ich vermute, Sie trinken weder Wein noch Bier«, meinte Oscar. »Wie wäre es mit Eiswasser?«
»Vielen Dank. Kühe esse ich allerdings.«
Sie lachten über diesen Scherz. Oscar bestellte zwei scharfe indische Currys mit in Streifen geschnittenem Rinderfilet und dazu Eiswasser.
»Jetzt sitzen wir hier und müssen versuchen, das Beste aus der Situation zu machen«, meinte Oscar. »Was führt Sie nach Dar, Mohamadali?«
»Geschäfte. Ich versuche es zumindest, obwohl es nicht so leicht ist, auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen. Meine Familie besitzt ein Handelshaus auf Sansibar. Jetzt hat man mich mit dem unseligen Unterfangen beauftragt, hier eine Filiale einzurichten.«
Oscar begann neugierig zu werden. Der Mann sprach ausgezeichnet Swahili, war elegant gekleidet und gebrauchte das Wort Handelshaus, um die Geschäfte seiner Familie auf Sansibar zu beschreiben. Es handelte sich also ganz offensichtlich um mehr als einen Stand für getrocknete Melonenkerne.
»Und was verschlägt Sie nach Dar?«, fragte Mohamadali zurück.
»Ich bin bei der Eisenbahn, baue Brücken und Gleise, und ab und zu schieße ich einen Elefanten. Außerdem verkaufe ich Mahagonistämme, die beim Eisenbahnbau abfallen«, antwortete Oscar absichtlich beiläufig. Er wollte auf keinen Fall auf das Thema Kannibalen zu sprechen kommen.
»Ich weiß«, sagte Mohamadali. »Was zahlt man Ihnen für eine Tonne Mahagoni?«
»Fünfundzwanzig Pfund.«
»Da zieht man Sie über den Tisch.«
»Schon möglich, aber für mich ist es wie Manna vom Himmel. Außerdem bin ich kein Geschäftsmann«, antwortete Oscar leichtfertig und probierte sein Currygericht.
»Aber ich bin Geschäftsmann«, erwiderte Mohamadali. »Wie lange haben Sie Urlaub?«
»Alles in allem zehn Tage, ab heute sind es noch neun. Wieso?«
»Eines unserer Schiffe segelt morgen früh nach Sansibar. Begleiten Sie mich, dann kann ich Ihnen schöne Dinge zeigen, und wir können Geschäfte machen, von denen wir beide profitieren.«
So einfach hatte es angefangen. Und so schwer war es zu erklären, wie es eigentlich zugegangen war. Ein Grund war vielleicht, dass Oscar nach einigen Monaten in Afrika die erste Lektion des weißen Mannes gelernt hatte: Nicht alle Ureinwohner waren Kinder, nicht alle stahlen, es waren auch nicht alle abergläubisch oder gänzlich unwissend.
Kadimba war sein enger Freund geworden, nachdem Oscar erst einmal seine ersten irrigen Vorurteile hinter sich gelassen hatte.
Als er also Mohamadali zum ersten Mal begegnete, hatte er in ihm nicht einen elenden Inder gesehen, der höchstens dazu taugte, seine Rikscha zu ziehen. Er sah einen gut gekleideten, gebildeten und intelligenten Mann. Einen Mann, der, davon ging er aus, eine Menge wichtige Dinge wusste, von denen er nicht die geringste Ahnung hatte.
Der Monsun war herrlich erfrischend und die Überfahrt nach Sansibar recht kurz. Bereits am ersten Abend aßen sie am Hafen ein ausgezeichnetes Mahl, gegrillte Schalentiere und frisch gefangenen Fisch.
Die Stadt war komplett weiß und sauber, wie aus einem Märchen. Mohamadalis Familie war sehr groß. Sie besaß tatsächlich ein imposantes Handelshaus, ein großes Bürogebäude in der Stadt, in dem westliche Ordnung herrschte mit Sekretären, Telefonen und Putzpersonal. Das Wohnhaus
war ein Palast am Stadtrand, ein weißes Gebäude in einem Stil, den Mohamadali als südarabisch oder omanisch bezeichnete.
So charmant Mohamadali und seine Brüder auch waren, so hart, geradezu deutsch-effektiv waren sie, als sie den Gesellschaftervertrag skizzierten.
Oscar sollte sechzig Prozent der Aktien erhalten, dadurch wäre das Unternehmen »deutsch«, und das war in Dar wichtig.
Sie selbst würden dreißig Prozent besitzen, einen wesentlichen Anteil also, aber nur so viel, dass die Firma noch »deutsch« blieb.
Der Eisenbahngesellschaft wollten sie, als großzügige Geste, zehn Prozent der Aktien anbieten, um so die Geschäfte zu legitimieren. Und um vorzubeugen für den
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