Die Brückenbauer: Roman (German Edition)
Keine angenehme Beschäftigung. Aber zur Sache! Ich habe die Absicht, Sie zum Leutnant unserer Schutztruppe zu ernennen!«
Der groteske Vorschlag überrumpelte Oscar vollkommen. Außerdem hatte es mehr nach einem Befehl als nach einem Vorschlag geklungen. Als er nachdachte, um sich eine so höfliche Ablehnung wie möglich einfallen zu lassen, deuteten die beiden älteren Herren sein Zögern offenbar so, dass er von der Ehre und von Nationalgefühl überwältigt worden sei, ganz zu schweigen von seiner zivilisatorischen Mission, jetzt allerdings mit der Waffe in der Hand.
»Darf ich, Herr Oberst, mit Verlaub darauf hinweisen, dass ich ein überzeugter Zivilist bin«, begann Oscar zögernd, »was mich zum Soldaten ausgesprochen untauglich macht. Meine Aufgabe, die ich als mindestens so wichtig empfinde wie die, der Sie sich beim Militär widmen, ist der
Eisenbahnbau. Wie ich es sehe, stellt die Eisenbahn den wichtigsten Teil unserer Mission dar.«
»Natürlich, natürlich«, schmunzelte der Oberst. »Aber Ingenieure gibt es zuhauf, verzeihen Sie mir, Dorffnagel, aber das ist eine Tatsache. Leute wie Sie, Herr Lauritzen, sind jedoch außerordentlich ungewöhnlich. Neun von zehn Ingenieuren hätten Ihre Situation nicht überlebt, und mit Ihnen alle anderen im Lager. Ich habe daher als höchster Befehlshaber der Schutztruppe in Deutsch-Ostafrika beschlossen, Sie schlicht und einfach zum Offiziersdienst einzuteilen. Vielleicht werden Sie anfangs noch etwas fremdeln, aber ich kann Ihnen versichern, dass das Ihr rechter Platz ist.«
»Ich fühle mich geschmeichelt, fürchte jedoch, dass ich trotzdem ablehnen muss«, antwortete Oscar mit dem Gefühl, dass sich die Schlinge um seinen Hals zusammenzog.
»Unerhört!« Der Offizier lachte. »Junger Mann, Sie scheinen nicht zu verstehen, dass Sie einen solchen Befehl von mir in Deutsch-Ostafrika gar nicht ablehnen können. Ein Befehl von mir, das ist ein Befehl des Deutschen Reiches.«
»Das ist mir klar, Herr Oberst, aber …«
Oscar war sich unsicher, ob sein letztes Argument stichhaltig war. Aber jetzt blieb ihm keine andere Wahl, als es vorzutragen.
»Es ist nämlich so, dass ich kein Deutscher bin«, fuhr er fort. »Ich bin Norweger, genauer gesagt Bürger der Union Schweden-Norwegen.«
Die beiden anderen starrten ihn verblüfft an. Dann lächelte der Offizier breit und brach in schallendes Gelächter aus.
»Dann muss ich Ihnen erneut gratulieren, Herr Lauritzen, zu Ihrem außerordentlich guten Deutsch. Ich hoffe, dass wir uns trotzdem das Essen schmecken lassen.«
»Davon gehe ich aus«, meinte Dorffnagel. »Auf meine Rechnung. Das ist es mir schon wert, Lauritzen in meinen Diensten behalten zu dürfen!«
Den Nachmittag und frühen Abend verbrachte Oscar fischend auf einem der Auslegerboote der Eisenbahngesellschaft. Nass und seelisch durchgespült kehrte er, als die Sonne über der Stadtsilhouette rot unterging, zurück.
Als er sich das Salzwasser vom Körper geduscht hatte, zog er seinen frisch gewaschenen und gebügelten Leinenanzug an und ging mit knurrendem Magen in den Club.
Vor dem Haupteingang war ein Tumult ausgebrochen, offensichtlich sollte jemand aus dem Lokal geworfen werden. Grobe Flüche und einige der schlimmsten Beleidigungen der deutschen Sprache hallten durch die heiße Nacht. Ein kleiner Inder kam buchstäblich aus dem Lokal geflogen. Einer der vulgär fluchenden Schläger ging zu dem auf dem Boden liegenden schmächtigen Mann und trat ihn.
»Stopp!«, rief Oscar und eilte hinzu, um dem verängstigten Mann auf die Beine zu helfen. Er klopfte ihm die Erde von dem ins Auge fallenden teuren Seidenanzug indischen Schnitts.
Woher der Einfall kam, der sein ganzes Leben verändern sollte, wusste er nicht. Vielleicht war es einfach Trotz und das Gefühl, dass hier gegen die Regeln des Fair Play verstoßen wurde.
»Herr Singh ist mein Gast. Es scheint ein ernstes Missverständnis
vorzuliegen«, sagte er absichtlich ruhig, fast schon kalt.
Es wurde vollkommen still. Die vier Rüpel, die den Inder aus dem Lokal geworfen hatten, zwei Kellner und zwei »Freiwillige« germanischen Typs, starrten schweigend zu Boden. Sie traten zurück, während Oscar freundschaftlich seinen Arm um die Schultern des Inders legte und ihn ins Lokal zurückführte.
»Verzeihen Sie, dass ich Sie als Herr Singh bezeichnet habe, aber ich weiß leider nicht, wie Sie heißen. Verstehen Sie Deutsch?«
»Nur wenig, aber durchaus genug. Vielen Dank!«, flüsterte der
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