Die Brueder des Kreuzes
winkte ihn näher, und ihm wurde bewusst, dass sie sein Gesicht der gleichen genauen Betrachtung unterzog wie er das ihre. Dann nickte sie kaum merklich, und ihre kleinen Falten glätteten sich.
»Ich erinnere mich an Euch. Ihr wart ein sehr hübscher kleiner Junge, und Ihr seid zu einem sehr hübschen Mann herangewachsen.«
Es lag etwas in ihrem Tonfall, das André merkwürdig vorkam, doch zunächst achtete er nicht weiter darauf, und sie fuhr fort.
»Meine zukünftige Schwester habt Ihr noch nicht kennengelernt, oder? Berengaria, dies ist Sir André St. Clair, einer von Richards … Freunden.«
Wieder fing er diesen merkwürdigen Unterton auf, der an Verachtung grenzte, doch als er sich nun lächelnd an Berengaria wandte, begriff er, was sie damit andeutete, und er spürte, wie er vor Verlegenheit rot wurde. Er erstarrte, und das Lächeln erstarb ihm auf den Lippen. Dann richtete er sich wütend auf, so verletzt, dass er jede Umsicht vergaß.
»Madam, Ihr tut mir Unrecht«, platzte er heraus, entrüstet, dass ihn jemand mit den Schönlingen in Verbindung brachte, die den König umschwärmten.
»Euer Bruder ist mein Lehnsherr, und ich bin sein getreuer Vasall. Hin und wieder habe ich die Ehre, sein Vertrauen zu genießen, und ich kann nichts Unehrenhaftes daran finden, sein Freund zu sein. Aber ich zähle nicht zu seinen … Freunden .«
Die Betonung, die er auf das letzte Wort legte, ließ keinen Raum für Missverständnisse, und Joanna Plantagenet fuhr abrupt zurück, als sähe sie sich plötzlich bedroht. Erst jetzt begriff er, wie übereilt und grob er auf ihre Bemerkung reagiert hatte, und ihm wurde klar, dass er sie vielleicht missverstanden hatte – doch es war zu spät. Er machte sich auf ihre Zurechtweisung gefasst. Sie jedoch sagte eine Zeit lang gar nichts und betrachtete ihn nur mit leicht gerunzelter Stirn. Dann richtete sie sich auf ihrem Stuhl auf.
»Verzeiht mir, Sir André.«
Überrascht von ihrer nachsichtigen Reaktion, verbeugte sich Sir André und legte sich die Hand auf die Brust.
»Es ist bereits vergessen, Mylady.«
Wieder betrachtete ihn die ehemalige Königin nachdenklich. Sie legte den Kopf ein wenig schief, dann nickte sie.
»Nun denn. Berengaria, beginnen wir noch einmal von vorn. Ich stelle Euch Sir André St. Clair vor, einen aquitanischen Ritter in Diensten meines Bruders, einen Mann, der Vertrauen und Hochachtung verdient. Sir André, dies ist Prinzessin Berengaria von Navarra, die zukünftige Gattin Eures Lehnsherrn, meines Bruders, Herzog Richard. Ich bezeichne ihn vor Euch als Herzog, weil ich davon ausgehe, dass sein Rang als König von England Euch nicht viel bedeutet …«
Sie verstummte, und André verneigte sich erneut, diesmal vor der Prinzessin. Jetzt fiel es ihm leicht, Joannas Lächeln zu erwidern.
»Ich schwöre Euch, Mylady, wäre Euer Bruder König von Aquitanien und nicht Herzog, so klänge dies vielleicht bedeutsamer, doch es hätte keinerlei Einfluss auf das Pflichtgefühl und die Treue, die ich ihm schon heute als Herzog entgegenbringe.«
Wieder wandte er sich der Prinzessin zu und ging vor ihr auf das rechte Knie nieder.
»Teuerste Prinzessin, ich muss Euch um Verzeihung für meine Worte bitten. Auch wenn mir als Ritter Aquitaniens und Poitous der Königstitel Eures zukünftigen Gemahls wenig bedeutet, werde ich Euch mit Freuden persönlich die Treue schwören, wenn Ihr Königin von England und Herzogin von Aquitanien seid.«
Nun war es an Prinzessin Berengaria, ihren Schleier zu heben, damit er ihr Gesicht betrachten konnte. Als sie die Arme hob, konnte er nicht umhin, ihre wohlgeformten Brüste wahrzunehmen. Er konnte beinahe spüren, wie sich Joannas Blick in ihn bohrte und seine Reaktion beobachtete, und so konzentrierte er sich angestrengt auf die Hände der Prinzessin, die immer noch mit dem Schleier befasst waren.
Sein Kopf jedoch war von keinem anderen Gedanken erfüllt als dem, was für ein Verbrechen und welch eine Sünde es doch war, eine solche Schönheit an einen Mann wie Richard Plantagenet zu verschwenden, den ein solch üppiger Frauenkörper doch nur anwidern würde, während er sich selbst mit üppig bemuskelter Männerschönheit umgab. Sogleich fragte er sich, ob Berengaria möglicherweise argwöhnte – und einfach akzeptierte –, was auf sie zukommen würde, wenn sie Königin an der Seite eines Mannes wurde, der Frauen weder mochte noch begehrte.
Die Prinzessin, die ihn jetzt ebenfalls anlächelte, neigte wohlwollend den
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