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Die Brueder des Kreuzes

Die Brueder des Kreuzes

Titel: Die Brueder des Kreuzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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Genau das habt Ihr getan, Lord Sinclair, und Eure Ehre wird nicht darunter leiden – genauso wenig wie die Eure darunter leidet, Ibn al-Farouch, dass man Euch so geliebt hat. Wie Ihr immer sagtet, Vetter, unsere Ehre ist alles, was wir haben. Sie ist es, die uns von den wilden Tieren unterscheidet, vor allem von denen, die sich als Menschen ausgeben. Doch an welchen Maßstab werden wir uns halten, wenn die letzten echten Ehrenmänner, Männer wie Ihr, verschwunden sind? Auch eine dieser Fragen, die Ihr mir gestellt und zugleich beantwortet habt. Aber habt Ihr sie auch mit dem Emir besprochen? Denn die Antwort bleibt natürlich dieselbe. Jeder von uns muss seinem eigenen Maßstab folgen.«
    Er wiegte die Dolche in seinen Händen.
    »Ich bin Euch zwar nie begegnet, Ibn al-Farouch, aber ich wünschte, es wäre so gewesen. Mein Vetter hat mir viel von Euch erzählt und Euch als echten Ehrenmann beschrieben. Doch in diesem Krieg ist kein Platz für die Ehre. Es gibt keine Ehre unter den Königen und Prinzen, den Päpsten und Patriarchen, den Kalifen und Wesiren und anderen sogenannten Würdenträgern. Sie sind alle nur Menschen, gierige, lüsterne, machthungrige Männer. Wir haben die Aufgabe, für ihre Gelüste zu kämpfen, und wir Narren tun es gern. Wieder und wieder folgen wir ihrem Ruf und sterben dann unbemerkt von denen, die uns ins Feld geschickt haben.«
    Er neigte den Kopf vor dem Grab.
    »Nun, meine Freunde, ich habe Euch gemeinsam begraben, und jetzt lasse ich Euch gemeinsam hier zurück. Ich bin gestern gewarnt worden, Vetter, auf mich aufzupassen. Anscheinend bin ich vor einigen Tagen von einem der Männer erkannt worden, die meinen Vater umgebracht haben. Er hat fälschlicherweise gedacht, ich hätte ihm nachspioniert, und nun trachten sie auch mir nach dem Leben, damit ich sie nicht verrate. So habe ich nun keinen Anreiz mehr, Vetter, zurückzukehren und weiterzukämpfen und zu sterben oder gute Männer wie den Emir umzubringen. Ich weiß noch nicht, wohin ich als Nächstes gehen werde, doch ich verspreche, dass Mullah Yusuf sein Amulett bekommt. So lebt denn also beide wohl. Ich werde um Euch weinen, Alec, und mich später freuen, Euch gekannt zu haben. Noch ist es zu früh dafür. Doch ich werde weinen, um Euch und um meinen Vater und um all die Männer, die rings um uns sterben. Gott schenke ihnen Frieden. Lebt wohl.«
    Sir André St. Clair wickelte die beiden Dolche und das Amulett in al-Farouchs gelbes Banner. Er erhob sich, steckte das Bündel in seinen Rock und hüllte sich in seinen Umhang, denn der Abend wurde jetzt kühl. Er trat zu seinem Pferd und dem Packmaultier, die friedlich zusammen grasten. Zwischen den Bäumen schimmerten Lichter hervor, denn die Hospitalritter hatten den ganzen Nachmittag damit verbracht, Lazarette für die Verwundeten zu errichten.
    Er ergriff Pferd und Muli am Zügel und führte sie beide die Böschung zur alten Römerstraße hinauf. Dort stieg er in den Sattel der Araberstute und wandte sich nach Norden.
    »Ihr reitet nach Norden, Bruder, Arsuf liegt südlich von hier.«
    André wandte sich zu dem Mann um, der ihn aus dem Schatten eines Baumes angesprochen hatte. Er war von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet, und André lächelte ihm zu.
    »Seid Ihr ein Ritter?«
    »Nein, Bruder, ich bin nur ein Mönch aus dem Orden des Hospitals. Ich kämpfe um das Leben der Menschen.«
    »Möge Euer Handwerk blühen, Bruder. Ich reite nach Norden zurück, gen Acre.«
    »Nach Acre? Wollt Ihr denn nicht vor Jerusalem kämpfen?«
    »Nein, Bruder, ich werde weder vor noch um Jerusalem kämpfen. Ich habe genug gekämpft. Ich werde mir ein Feld aus Steinen suchen, wo ich mit Gott in Verbindung treten kann. Und wenn wir einander besser kennengelernt haben, wer weiß? Vielleicht möchte ich dann sogar bei den Ungläubigen leben. Das kann auch nicht gefährlicher sein als unser Leben hier, unter Gottes getreuen Eiferern …«
    Er brach ab und lächelte über die Miene des Mönches, die er nun im Licht des aufgehenden Mondes deutlich sehen konnte. St. Clair bekam Mitleid mit ihm.
    »Verzeiht mir, Bruder«, sagte er. »Es ist ein langer Tag gewesen, und ich habe noch vieles vor. Lebt wohl und Gottes Segen.«
    Ohne ein weiteres Wort trabte er davon, das Maultier im Schlepptau, und der Mönch starrte ihm nach und beobachtete die hochgewachsene, weiß gekleidete Gestalt mit dem blutroten Kreuz auf den Schultern, bis er sie zwischen den Bäumen am Straßenrand nicht mehr sehen

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