Die Brueder des Kreuzes
schnappte. Noch bevor er wieder bei Atem war, war St. Clair über ihm. Sein Absatz drückte sich sanft, aber bestimmt in die Kehle des Gestürzten, und seine Dolchspitze schwebte über seiner Nase.
»Also, Sir«, murmelte André leise, aber deutlich. »Es ist nicht zu übersehen, dass Euch jemand über die Bedeutung von guten Manieren, angemessenem Verhalten, von Bescheidenheit und Umsicht aufklären muss. Ihr seid ein junger, törichter Ritter, der an einem schlicht gekleideten Mann wie mir nichts Bewundernswertes sieht, nichts, was Respekt erfordern würde.«
Die Dolchspitze tippte gegen die Nasenspitze des Mannes.
»Das, Sir, liegt daran, dass Ihr ein Dummkopf seid, der noch viel lernen muss und offenbar wenig im Kopf hat, das ihm dabei hilft.«
André schob die Spitze der Waffe in ein Nasenloch und zog dieses sanft nach oben, sodass er den ganzen Körper des Mannes an der Nase hochzog.
»Hört mir gut zu, Sir Dummkopf. Auch ich bin ein Ritter, und zwar schon länger als Ihr, mit mehr Erfahrung als Ihr und wahrscheinlich auch von höherem Rang. Dass Ihr das nicht sehen konntet, ohne darauf hingewiesen zu werden, macht Euch zu einem noch größeren Toren. Mein Name ist André St. Clair. Vergesst ihn nicht. Ich bin ein Ritter aus Poitou, Vasall König Richards, der mich vor fünf Jahren persönlich zum Ritter geschlagen hat. Sollte mich mein Lehnsherr künftig also noch einmal zu sich rufen lassen, achtet darauf, dass Ihr mit dem gebotenen Respekt an mich herantretet, damit ich Euch nicht den rüpelhaften Hintern zwischen die Schultern trete und Euch so zu einem Buckel verhelfe. Verstehst du mich, Bürschchen?«
Er verstärkte den Druck des Messers gegen das Nasenloch.
»Ja?«
Er konnte sehen, dass der Mann gern eifrig genickt hätte, doch dann hätte er sich selbst in die Nase geschnitten. André hielt ihn noch einige Sekunden so fest, dann trat er beiseite, sodass der Mann sich aufraffen konnte.
»Ist Euch aufgefallen, dass ich Euch nicht nach Eurem Namen gefragt habe?«, fragte er. »Das liegt daran, dass er mich nicht interessiert. Damit könnt Ihr Euch aber gleichzeitig sicher sein, dass ich mit niemandem über diese Angelegenheit sprechen werde. Und damit solltet Ihr zufrieden sein und nicht versuchen, es mir heimzuzahlen. Habt Ihr das verstanden? Denn wenn Ihr das versucht, werdet Ihr es sehr bedauern, so wahr mir Gott helfe. Nun geht zum König und sagt ihm, dass ich mich ankleiden muss, dass ich aber im Lauf der nächsten Stunde bei ihm bin. Geht!«
»WAS HABT IHR denn mit Dorville angestellt?«
Über eine Stunde befand er sich jetzt schon in König Richards Quartier, und gelegentliche Anspielungen des Königs hatten André schon vermuten lassen, dass diese Frage irgendwann kommen würde. Daher gelang es ihm, eine unschuldige Miene aufzusetzen.
»Dorville, Mylord? Ich kenne niemanden, der so heißt. Sollte ich das?«
»Ihr wisst verdammt gut, wen ich meine. Den Ritter, den ich geschickt habe, um Euch zu mir zu bitten.«
»Ah. Der. Ich habe ihm nur eine Lektion in Demut erteilt. Ich hoffe, es war nicht vergebens.«
»Demut. Dorville. Wie habt Ihr das gemacht? Und denkt nicht einmal daran, mich anzulügen. Ich will die Wahrheit hören.«
»Ich habe ihn einfach nur darauf hingewiesen, dass ich glaube, mehr Respekt zu verdienen, als er mir erwiesen hat, Mylord.«
»Und wo genau befand er sich, als Ihr ihn darauf hingewiesen habt?«
»Er lag auf dem Rücken, Sir, zu meinen Füßen. Sein Adamsapfel befand sich unter meiner Schuhsohle.«
»Und was hat Euch daran die meiste Freude bereitet?«
»Seine Miene, als ihm klar wurde, wo er sich befand, Mylord.«
»Und was hat Euch am meisten an ihm missfallen?«
»Sein Geruch, Sir. Er war zu … süßlich, zu weiblich.«
»Ich werde dafür sorgen, dass sich das ändert. Euch ist doch klar, dass er keiner von uns ist?«
André runzelte die Stirn.
»Keiner von uns? Das verstehe ich nicht.«
»Das könnt Ihr auch nicht. Er ist einer von Philips Männern, aus der Provinz Vexin. Philip hat ihn uns hiergelassen, um, falls nötig, als Verbindungsmann zwischen uns und Frankreich zu agieren. Er ist hochmütig und scheint alles mit übermäßig kritischem Auge zu betrachten – und zu glauben, dass nichts, was wir tun oder besitzen, dem Standard entspricht, den er gelten lassen würde, wenn man ihn ließe. Doch er ist natürlich noch sehr jung. Ich finde ihn manchmal schwer zu ertragen, aber er ist hübsch anzuschauen. Also, morgen früh müsst Ihr mit
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