Die Brueder des Kreuzes
Marquis von Tyrus. Guido ist nach Jerusalem gereist und hat mit der zukünftigen Königin angebändelt – und jetzt ist er König von Jerusalem. Conrad ist neidisch. Das Königreich ist größer als seine kleine Hafenstadt, und er will es für sich. Und wenn es stimmt, was Guidos Mann gestern erzählt hat, ist es gut möglich, dass er es eines Tages auch bekommt. Conrad argumentiert damit – und er scheint mit dieser Meinung nicht allein zu sein –, dass Guido dort nur König geworden ist, weil Sibylla Königin war. Sibylla ist letztes Jahr gestorben. Ergo, so befinden Conrad und seine Anhänger, hat Guido keinen Anspruch auf den Thron mehr.«
»Aber Guido ist doch rechtmäßig gekrönt worden, oder nicht?«
Der Mann sah André mit hochgezogenen Augenbrauen an und hob schulterzuckend die Arme.
»Ich weiß es nicht. Man hat vergessen, mich zur Krönung einzuladen.«
»Aye, so war es aber, durch den alten Patriarchen von Jerusalem.«
Nickon spitzte seine Lippen – ein merkwürdiges Mienenspiel angesichts der Tatsache, dass er ja kaum Lippen hatte und sein Mund kaum mehr war als eine waagerechte Linie. Dennoch gelang es ihm, auf diese Weise große Skepsis zu vermitteln. Als André Anstalten machte, ihn nach dem Grund dafür zu fragen, hob er kopfschüttelnd die Hand.
»Stellt Euch einmal folgende Frage, Junge: Glaubt Ihr wirklich, dass sich Montferrat und seine Speichellecker auch nur einen Moment lang dafür interessieren, was irgendein seniler Bischof vor fünf Jahren getan hat? Hier geht es um ein Königreich , Junge …«
Er hielt inne, dann brach er in ein faltiges Grinsen aus.
»Genau das hat der Mann aus Jerusalem gestern gesagt, nachdem König Richard exakt wie Ihr von König Guidos Krönung angefangen hat. Seit Conrad in Tyrus gelandet ist und von den Ereignissen in Hattin gehört hat, arbeitet er unablässig daran, Guido zu untergraben und seinen Platz einzunehmen. Als Guido nach seiner Freilassung aus Saladins Gefangenschaft in Tyrus ankam, hat er als Erstes die Schlüssel der Stadt von Conrad gefordert, weil er der König war und dies alles war, was ihm von seinem Königreich blieb. Conrad hat ihm Feigheit und Nutzlosigkeit vorgeworfen und Guido ins Gesicht gesagt, mit seiner schändlichen Niederlage in Hattin habe er das Recht auf den Thron verwirkt. Kurz darauf hat er selbst Anspruch auf das Königreich erhoben und Guido aus der Stadt geworfen. Falsche Bescheidenheit kennt er nicht. Er war ja schon vom Niemand zum Marquis von Tyrus aufgestiegen, da schien ihm der Schritt zur Königswürde wohl nicht mehr sehr schwer.«
Nickons Grinsen verflog.
»Da es keinen Ort gab, an den sich Guido hätte zurückziehen können, verweilte er einfach vor den Toren von Tyrus und machte sich außerhalb der Stadtmauern daran, eine Armee aufzustellen. Guido hat ihn nicht daran gehindert; im Gegenteil, er hat ihm Männer geschickt, weil er zu viele hungrige Mäuler in der Stadt hatte. Schließlich bekam Guido ungefähr siebenhundert Mann zusammen, die meisten davon Templer, darunter auch der Meister des Tempels, ein gewisser de Rid –«
»Gerard de Ridefort«
»Genau. Damit änderte sich seine Lage, denn durch den Rückhalt der Templer verstärkte sich der Zustrom der Männer, und bald verfügte er über mehrere tausend Bewaffnete, die auf einen Kampf brannten. Im August hat er sie nach Süden geführt und Acre eingekreist. Weil er fürchtete, Guido könnte die Oberhand gewinnen, hat Conrad ihm einen Teil seiner eigenen Truppen zur Verstärkung der Belagerung geschickt. Eine Weile ist es ihm und Guido gelungen zusammenzuarbeiten, und als es vor der Stadt zum Aufeinandertreffen mit Saladins Truppen kam, hat sich Guido tapfer geschlagen, das muss man ihm lassen. Doch dann bildeten sich Splittergruppen in der Armee – Guidos Männer gegen Conrads –, und so ist die Lage über ein Jahr lang geblieben. Dann …«
»Was ist dann geschehen?«, drängte André, als Nickon Atem holte.
»Nun, dann ist König Philip mit seiner Hälfte der Armee aufgekreuzt. Er hat mit beiden Männern Gespräche geführt, die Vor- und Nachteile sorgfältig abgewogen und sich schließlich für Conrad entschieden. Deshalb ist König Guido hier. Er hat beschlossen, nicht auf Richard warten zu können, weil Philip überall erzählt hat, König Richard sei es wichtiger, sich mit seinen Freunden zu amüsieren als das Heilige Land zu erreichen. Also hat Guido Philip und Conrad vor den Toren von Acre allein gelassen und ist mit seinen
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