Die Brueder des Kreuzes
auffindbar ist und es weder einen Namen noch eine Beschreibung gibt, habt Ihr nicht den geringsten Beweis, dass sie je existiert hat. Nirgendwo ist eine Frau vermisst gemeldet worden, wir wissen nicht, wer sie war oder woher sie stammte, und es sieht nicht danach aus, als würde uns dieses Wissen noch durch ein Wunder zufallen. Seht mir ins Auge.«
André tat, wie ihm geheißen war, und die beiden sahen einander einige Sekunden an, bevor Richard fortfuhr.
»Es war die Tatsache, dass sie Euch der Sodomie bezichtigt haben, die mich davon überzeugt hat, dass Eure Version der Ereignisse wohl die wahre ist. Dennoch könnte sich die Tatsache, dass Ihr keine Beweise für Eure Behauptungen erbringen könnt, als unüberwindliches Hindernis erweisen. Dies allein wird Euch wahrscheinlich den Hals brechen … es sei denn, Ihr könntet wie durch ein Wunder den Namen der Frau nennen.«
»Eloise de Chamberg, Herr.«
»Eloise de Chamberg … und woher kommt sie, diese mysteriöse Eloise?«
»Aus Lusigny, Herr, etwa dreißig Meilen südlich von Poitiers.«
»Ich weiß, wo es liegt, Mann. Es gehört mir schließlich. Aber warum habt Ihr denn niemandem gesagt, dass Ihr wusstet, wer sie ist?«
St. Clair zuckte mit den Achseln.
»Das konnte ich nicht, Mylord. Ich habe seit zwei Monaten kaum ein Wort mit irgendjemandem gesprochen. Jonquard, der mir mein Versteck gezeigt hat und natürlich wusste, wo ich bin, hat sich von mir ferngehalten, weil er Angst hatte, dass man ihm folgen würde. Er ist alle paar Tage vorbeigeritten und hat mir Vorräte ins Gebüsch gelegt, die ich dann abgeholt habe, wenn er fort war. Doch ich habe erst heute Nacht auf dem Weg hierher das volle Ausmaß dessen erfahren, was hier vor sich geht. Angesichts der langen Zeit mag das für Euch seltsam klingen, doch es ist wahr.«
Richard sprang auf und begann mit jener unbändigen Energie auf und ab zu schreiten, die Sir Henry noch aus seiner Kindheit kannte. Richard Plantagenet hatte noch nie länger als einige Minuten auf einem Fleck sitzen können, und jetzt rang er im Gehen so fest die Hände, dass man hören konnte, wie die Schwielen seiner vom Waffeneinsatz gehärteten Handflächen aneinanderrieben – ein untrügliches Zeichen dafür, dass er angestrengt nachdachte.
»Es mag durchaus seltsam sein«, brummte er schließlich, »aber nicht seltsamer als dies: Wie kommt es, dass Ihr, ein Ritter aus Poitou, eine Frau namens Eloise de Chamberg aus Lusigny kennt?«
André begleitete seine Antwort mit einem leisen Achselzucken.
»Durch Zufall, Herr. Ich habe sie vor zwei Jahren kennengelernt, als ich in Poitiers an einem Turnier teilgenommen habe.«
»Und habt Euch verliebt, wie? Aber warum so geheimnisvoll?«
Zum ersten Mal stieg eine Spur von Farbe in das Gesicht des jungen Ritters.
»Weil ich keine andere Wahl hatte, Herr. Anfangs habe ich sie nur selten gesehen, weil mich meine Pflichten von Poitiers ferngehalten haben, und so habe ich nie mit jemandem über sie gesprochen.«
Der Herzog blieb abrupt stehen und sah André direkt ins Auge.
»Und später?«
Die Röte stieg André bis in die Schläfen.
»Und später wurde es unmöglich, von ihr zu sprechen.«
»Ich verstehe, und ich kann mir auch denken, warum. Sie ist aus Lusigny, und doch seid Ihr ihr in Poitiers begegnet und habt sie später auch dort besucht. Warum?«
»Sie hat damals mit ihren Eltern in Poitiers gelebt. Doch vor fünfzehn Monaten wurde sie … auf Wunsch ihres Vaters verheiratet.«
»Aha! Die meisten Männer würden an diesem Punkt das Wort finis hören.«
André nickte.
»Das ist wahr, Herr. Doch es war von Anfang an eine Ehe ohne Liebe, mit einem Mann aus Lusigny, der dreimal so alt war wie sie selbst. Es war der Wunsch ihres Vaters, nicht der ihre, und sie war eine gehorsame Tochter.«
»Offenbar aber keine gehorsame Gemahlin. Ihr habt sie weiterhin gesehen.«
»Ja, Herr, wenn auch sehr viel seltener.«
»Und wie kam es, dass sie zum Zeitpunkt des … Unglücks in Poitou war? Muss ich Euch daran erinnern, dass die Dame, verheiratet oder nicht, nun tot ist und ihr keine geschwätzige Zunge mehr etwas anhaben kann, während Ihr lebt und ihre Hilfe dringend nötig habt? Also sprecht.«
Ein rascher, beklommener Blick in Richtung seines Vaters ging der Antwort des jüngeren St. Clair voraus, doch dann hob er das Kinn und sah den Herzog geradewegs an.
»Ich habe vor gut drei Monaten eine Nachricht von ihr erhalten, dass Ihr Mann eine Reise nach Südwesten plante, um seinen
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