Die Brueder des Kreuzes
gebückt hineinblicken.
Der Mann, der darin steckte, lag mit dem Gesicht nach oben. Es war Sinclair. Zu Morays Erleichterung schien sein Freund keine Pfeilverletzungen zu haben, denn nirgendwo war Blut zu sehen. Allerdings hatte er das Bewusstsein verloren. Moray zwängte sich rasch in die Felsspalte hinein und beugte sich über ihn. Seine linke Schulter war unnatürlich verdreht, und sein Arm klemmte in einem schier unmöglichen Winkel auf seinem Rücken fest.
Moray zog ihn weiter in die Spalte hinein, die sich als kleiner, höhlenartiger Unterschlupf zwischen drei vom Wind glattgescheuerten Felsen erwies, und legte ihn auf den Rücken.
Sinclairs Helm war auf der linken Seite zerkratzt und mit grauen Staubspuren überzogen, die genau zu den Kratzern auf einem der Felsen passten. Er musste bei seinem Sturz mit dem Kopf auf den Felsen geprallt sein. Morays Gedanken rasten. Dankbar, weil er in der Nähe nichts Bedrohliches hören konnte, legte er den Freund der Länge nach auf den Boden und versuchte dann, den verdrehten Arm wieder in seine eigentliche Position zu bringen. Er bewegte sich zwar, aber n icht dorthin, wohin er gehörte, und er begriff, dass die Schulter ausgerenkt war.
Ob der Arm zusätzlich gebrochen war, konnte er nicht sagen. Also setzte er sich mit dem Rücken an die Wand ihres Unterschlupfes, legte sein unbenutztes Schwert zur Seite, stemmte die Beine gegen Sinclairs Körper und zerrte mit Gewalt an dem verletzten Arm. Mit aller Kraft drehte er so lange daran, bis er spürte, wie er sich bewegte und wieder einrastete. Wäre Sinclair bei Bewusstsein gewesen, wären die Schmerzen unerträglich gewesen. So jedoch drang nichts durch seine Ohnmacht, und Moray ließ sich erschöpft zurücksinken.
Er begann, sich umzusehen. Sie waren hier drinnen völlig geborgen; das Einzige, was er sehen konnte, war der Himmel über der Felsspalte, durch die er geklettert war.
Dann lauschte er angestrengt. Im Freien war ein Wirrwarr aus Geräuschen zu hören, Schlachtenlärm und die Schreie sterbender Männer und Tiere, doch sie waren weit entfernt, und er vermutete, dass sie von weiter oben kamen, obwohl er wusste, dass die Felsen die Geräusche umlenken und ihn täuschen konnten.
Er warf noch einen Blick auf den bewusstlosen Sinclair, dann kroch er wieder zum Eingang und erhob sich vorsichtig. Ohne den Kopf aus dem Schatten des schützenden Felsens zu heben, sah er sich in der Nähe um.
So weit sein Blick reichte, war keine lebende Seele in Sicht. Vorsichtig, um sich nicht durch eine plötzliche Bewegung zu verraten, richtete er sich weiter auf, bis er an der Flanke des Felsens vorbei bergauf sehen konnte. Doch auch so konnte er nur wenig erkennen, weil der Boden hinter ihrem Unterschlupf mit Felsen übersät war. Doch der Lärm kam eindeutig von dort oben, und die Stille rings um ihre Zuflucht erschien ihm im Vergleich dazu gespenstisch. Etwas mutiger wagte er sich langsam aus seinem Versteck und kroch mit gesenktem Kopf zwischen den Felsenhindernissen hindurch, bis er einen Aussichtspunkt fand, der es ihm erlaubte, das Geschehen zu beobachten, ohne entdeckt zu werden.
Wohin er auch blickte, sah er jetzt Menschen, ausnahmslos Sarazenen, die auf den Bergkamm zueilten, auf den sich König Guido und seine Begleiter geflüchtet hatten. Auch ganz oben wimmelte es von berittenen Kriegern. Sein Blick fiel auf das Wahre Kreuz, das in seinem juwelenbesetzen Schrein über der wogenden Menschenmasse schwebte, und auf König Guidos Zelt, das den Mittelpunkt der christlichen Streitmacht markierte.
Doch genau in dieser Minute schwankte das Kreuz alarmierend, richtete sich wieder auf … und verschwand aus seinem Blickfeld. Moray erschauerte entsetzt, als gleich darauf das Zelt des Königs in sich zusammenfiel und verschwand – jemand musste die Zeltschnüre zerschnitten haben.
Schlagartig folgte Triumphgeheul auf den Hängen über ihm, das ihm alles sagte: Der Sieg bei Hattin gehörte den Anhängern des Propheten.
Sir Lachlan Moray war wie vom Donner gerührt. Weder konnte er glauben, in welch kurzer Zeit die Armee der Christenwelt vernichtet worden war, noch konnte er sich ausmalen, welche Folgen ein solcher Sieg haben würde. Er wandte sich ab und richtete den Blick auf den tiefer gelegenen Berghang. Überall lagen tote Männer und Pferde, und nur wenige der Toten trugen die Wüstenroben der Krieger Saladins. In der Ferne, wo die fränkischen Fußtruppen ihren fruchtlosen Vorstoß gewagt hatten, lagen die Leichen zu
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