Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
Vom Netzwerk:
nichts sehen würde. Es war nur eine Gefahr dabei, nämlich daß Marfa Ignatjewna plötzlich aufwachen konnte. Ich fühlte das in diesem Augenblick, aber der Eifer hatte mich so gepackt, daß mir der Atem stockte. Ich ging wieder unter das Fenster zum Herrn und sagte: ›Sie ist hier! Sie ist gekommen! Agrafena Alexandrowna ist gekommen, sie bittet um Einlaß!‹ Er zuckte zusammen wie ein kleines Kind. ›Wo ist sie, wo?‹ fragte er und stöhnte nur vor Aufregung; er glaubte es noch nicht. ›Dort steht sie‹, sagte ich. ›Machen Sie auf!‹ Er schaute mich durchs Fenster an; halb glaubte er mir, und halb nicht, doch er hatte Angst zu öffnen. ›Nun fürchtet er sich sogar vor mir!‹ dachte ich. Und es ist lächerlich: auf einmal kam mir in den Sinn, das Signal ans Fenster zu klopfen, daß Gruschenka gekommen sei; vor seinen Augen klopfte ich es! Meinen Worten hatte er offenbar nicht geglaubt; als ich jedoch das Signal klopfte, lief er sofort hin, um die Tür zu öffnen. Ich wollte eintreten, aber er stand in der Tür und versperrte mir mit seinem Körper den Weg. ›Wo ist sie? Wo ist sie?‹ fragte er, wobei er mich zitternd ansah. ›Na‹, dachte ich, ›wenn er vor mir solche Angst hat, das ist schlimm!‹ Und da wurden sogar mir die Beine schwach vor Angst, er könnte mich nicht in die Wohnung hineinlassen oder schreien oder Marfa Ignatjewna könnte angelaufen kommen oder es könnte sonst etwas passieren; ich glaube, ich stand damals selber ganz blaß vor ihm. Ich flüsterte ihm zu: ›Dort ist sie, dort unter dem Fenster! Haben Sie sie denn nicht gesehen?‹ – ›So führ sie doch her, führ sie doch her!‹ – ›Sie fürchtet sich‹, sagte ich. ›Sie hat von dem Schrei einen Schrecken bekommen und sich im Gebüsch versteckt. Gehen Sie in Ihr Zimmer und rufen Sie sie selbst vom Fenster aus!‹ Er trat ans Fenster und stellte das Licht auf das Fensterbrett. ›Gruschenka‹, rief er. ›Gruschenka, wo bist du?‹ So rief er; aber sich aus dem Fenster hinausbeugen, das wollte er nicht. Er wollte mich nicht aus den Augen lassen, eben, weil er vor mir so große Angst bekommen hatte; deshalb wagte er nicht, mich aus den Augen zu lassen. ›Da ist sie ja‹, sagte ich; ich war ans Fenster getreten und beugte mich selber ganz weit hinaus. ›Da im Gebüsch ist sie und lacht Ihnen zu, sehen Sie nicht?‹ Auf einmal glaubte er mir, begann am ganzen Körper zu zittern, er war ja so verliebt in sie, und beugte sich auch ganz weit aus dem Fenster hinaus. Da nahm ich den eisernen Briefbeschwerer von seinem Tisch, Sie erinnern sich, er mag vielleicht drei Pfund schwer sein, und schlug ihn von hinten mit der Kante genau auf den Scheitel. Er stieß nicht einmal einen Schrei aus, sondern sank nur plötzlich nach unten. Ich schlug ein zweites und ein drittes Mal zu. Beim dritten Mal fühlte ich, daß ich ihm den Schädel eingeschlagen hatte. Er fiel plötzlich lang hin, mit dem Gesicht nach oben, und war ganz von Blut überströmt. Ich besah mich selbst: Kein Blut war an mir, es hatte nicht gespritzt. Ich wischte den Briefbeschwerer ab, legte ihn wieder hin, ging zu den Heiligenbildern und nahm das Geld aus dem Kuvert; das Kuvert warf ich auf den Fußboden und das rosa Bändchen daneben. Dann ging ich in den Garten, ich zitterte am ganzen Körper. Ich ging schnurstracks zu dem Apfelbaum mit der Höhlung im Stamm. Sie kennen diese Höhlung, ich hatte sie mir schon längst ausersehen. In ihr lag bereits ein Lappen und ein Blatt Papier, diese Vorbereitungen hatte ich schon lange getroffen. Ich wickelte die Geldscheine in das Papier und dann in den Lappen und schob das Ganze tief in den Baumstamm. Da hat das Geld über zwei Wochen gelegen, nachdem ich aus dem Krankenhaus entlassen war, habe ich es herausgenommen ... Ich kehrte in mein Kämmerchen zurück, legte mich wieder ins Bett und dachte voller Angst: Wenn Grigori Wassiljewitsch ganz tot ist, kann die Sache einen recht üblen Verlauf nehmen; wenn er aber nicht tot ist und wieder zu sich kommt, kann alles gut ablaufen, weil er dann bezeugen wird, daß Dmitri Fjodorowitsch dagewesen ist und somit auch den Mord begangen und das Geld weggenommen hat ... Da begann ich in meiner Angst und Ungeduld zu stöhnen, damit Marfa Ignatjewna möglichst schnell aufwachte. Endlich stand sie auf und wollte zu mir herumkommen, doch als sie auf einmal sah, daß Grigori Wassiljewitsch nicht da war, lief sie hinaus, und ich hörte, wie sie im Garten losjammerte. Na, und so nahm denn die

Weitere Kostenlose Bücher