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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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gesagt hatte, so erwarteten Sie doch offenbar etwas von mir!«
    »Nein, ich schwöre es, nein! » schrie Iwan zähneknirschend.
    »Wie können Sie da nein sagen! Es wäre doch vielmehr in der Ordnung gewesen, wenn Sie als der Sohn Ihres Vaters mich für meine Worte zuallererst auf die Polizei gebracht hätten und mich hätten auspeitschen lassen ... Oder wenn Sie mir wenigstens gleich auf der Stelle ein paar in die Schnauze gehauen hätten. Aber ich bitte Sie – im Gegenteil, Sie wurden nicht im geringsten zornig, sondern handelten sofort ganz genau nach meinen sehr dummen Worten und fuhren dorthin, was doch ganz ungereimt war! Es hätte sich nämlich gehört, daß Sie hiergeblieben wären, um das Leben Ihres Vaters zu schützen ... Wie hätte ich daraus nicht meine Schlüsse ziehen sollen?«
    Iwan saß mit finsterem Gesicht da und stützte krampfhaft beide Fäuste auf die Knie.
    »Ja, schade, daß ich dir nicht ein paar in die Schnauze gegeben habe«, sagte er, bitter lächelnd! »Dich damals auf die Polizei zu schleppen war nicht ratsam, wer hätte mir geglaubt, und worauf hätte ich mich berufen können? Na, aber ein paar in die Schnauze ... Leider habe ich nicht daran gedacht, das ist zwar verboten, aber ich hätte dir doch deine Fratze zu Brei schlagen sollen!«
    Smerdjakow betrachtete ihn mit wahrem Genuß.
    »Unter gewöhnlichen Umständen«, sagte er in jenem selbstzufriedenen, lehrhaften Ton, in dem er ehemals an Fjodor Pawlowitschs Tisch mit Grigori Wassiljewitsch über den Glauben disputiert und ihn gehänselt hatte, »unter gewöhnlichen Umständen ist es heutzutage allerdings gesetzlich verboten, jemanden in die Schnauze zu schlagen, und niemand tut das mehr. Na, aber unter außerordentlichen Umständen wird nicht nur bei uns, sondern auf der ganzen Welt, selbst wo die vollste französische republikanische Freiheit herrscht, immer noch geschlagen wie zu Adams und Evas Zeiten, und das wird auch nie aufhören. Sie jedoch haben es damals auch unter so außerordentlichen Umständen nicht gewagt.«
    »Wozu lernst du denn französische Vokabeln?« fragte Iwan und deutete mit dem Kopf auf die Hefte auf dem Tisch.
    »Warum sollte ich sie nicht lernen, um meine Bildung zu vervollständigen? Ich denke, daß es vielleicht auch mir noch einmal beschieden sein wird, in jenen glücklichen Gegenden Europas zu leben.«
    »Paß auf, du Scheusal!« sagte Iwan; seine Augen funkelten, und er zitterte am ganzen Körper! »Ich fürchte deine Beschuldigungen nicht. Sag gegen mich aus, was du willst! Und wenn ich dich nicht gleich jetzt totgeprügelt habe, so nur deswegen nicht, weil ich dich im Verdacht habe, das Verbrechen begangen zu haben, und dich vor Gericht ziehen werde. Ich werde dich schon entlarven.«
    »Aber meiner Ansicht nach werden Sie besser schweigen. Denn was können Sie gegen mich bei meiner völligen Unschuld vorbringen? Und wer wird Ihnen glauben? Sollten Sie jedoch damit anfangen, werde auch ich alles erzählen, denn warum sollte ich mich nicht verteidigen?«
    »Meinst du, daß ich dich jetzt fürchte?«
    »Mag man auch bei Gericht allem, was ich Ihnen jetzt gesagt habe, keinen Glauben schenken – das Publikum wird es doch tun, und Sie werden sich schämen müssen.«
    »Das bedeutet wohl wieder: ›Auch ein kurzes Gespräch mit einem klugen Menschen ist von Vorteil‹, wie?« fragte Iwan zähneknirschend.
    »Da haben Sie es ganz genau getroffen. Also, seien Sie denn auch klug!«
    Zitternd vor Empörung stand Iwan Fjodorowitsch auf, zog seinen Überzieher an und verließ schnell die Stube und das Haus, ohne Smerdjakow noch weiter zu antworten oder ihn auch nur anzusehen. Die kühle Abendluft erfrischte ihn. Am Himmel schien hell der Mond. Ein beängstigendes Chaos von Gedanken und Gefühlen brodelte in seiner Seele. ›Soll ich gleich hingehen und Smerdjakow anzeigen? Aber was soll ich gegen ihn vorbringen? Er ist ja unschuldig. Er wird im Gegenteil mich anklagen. In der Tat, warum bin ich damals nach Tschermaschnja gefahren? Warum, ja warum?‹ fragte sich Iwan Fjodorowitsch. ›Ja, allerdings, ich erwartete etwas, da hat er recht ...‹ Und er erinnerte sich zum hundertstenmal, wie er in der letzten Nacht beim Vater von der Treppe aus gehorcht hatte; und diese Erinnerung war jetzt mit einer solchen Qual für ihn verbunden, daß er wie von einem Dolchstoß getroffen stehenblieb. ›Ja, ich habe das damals erwartet, das ist wahr! Ich wollte den Mord, wollte ihn geradezu! Wollte ich den Mord, wollte ich ihn

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