Die Brueder
Penelope Manningham bedienten, hielten Sverre vermutlich für einen weiteren Bediensteten und nicht für den Künstler persönlich.
Anschließend nahm Penelope wie selbstverständlich die wartende Kutsche und Mr. Jones für sich in Anspruch und begab sich in ein größeres Warenhaus, in dem die Familie ein Konto besaß, also kein Bargeld vonnöten war, aber jemand, der ihre Einkäufe tragen konnte. Mrs. Stevens und Sverre wanderten unterdessen eine Stunde durch London, bis sie das beste Geschäft für Künstlerbedarf erreicht hatten.
Blaue Farben waren die teuersten, und Sverre brauchte mindestens drei Tuben sowie Zinkweiß und Ocker. Diskret bezahlte Mrs. Stevens seinen Einkauf.
Auf dem weiten Weg zur Paddington Station unterhielten sie sich ausgiebig über Deutschland, aber nur sehr wenig über Manningham House.
*
Nach gut drei Wochen kehrte Albie wohlgelaunt nach Hause zurück und erzählte begeistert, was er alles Interessantes erlebt hatte. Gleichzeitig legte er eine Nervosität an den Tag, die Sverre nur allzu gut wiedererkannte.
Beim Willkommenstee im chinesischen Salon sprach Albie nur flüchtig von seinem Besuch bei Rudolf Diesel. Der Versuchsmotor wog in seiner momentanen Ausführung 4,5 Tonnen, da das Einspritzverfahren einen hohen Druck erforderte, der wiederum besondere Anforderungen an die Belastbarkeit der Maschinenteile stellte. Daher das hohe Gewicht. Einstweilen kam also ein solcher Motor für den Antrieb von Pflugmaschinen nicht infrage. Im Laufe eines Jahres würde das Gewichtsproblem jedoch vermutlich gelöst sein.
Umso ausführlicher sprach er von seinem kurzen Abstecher nach Paris. Er hatte einige wunderbare Gemälde gekauft und lud für den kommenden Nachmittag alle zur Vernissage in dem für Kunstausstellungen wie geschaffenen, langen, hellen Gang in der Ingenieursvilla ein, wenn das Licht am günstigsten war. Die Bemerkung seiner Mutter, das treffe sich gut, da man mit der Vorführung der Porträts bis zur Rückkehr des verlorenen Sohnes gewartet habe, schien er kaum zur Kenntnis zu nehmen. Er wechselte rasch das Thema. Der fahrig nervöse Albie brachte Sverre gehörig aus dem inneren Gleichgewicht.
Die Stunden, die ihnen vor dem Willkommensessen blieben, verbrachten sie mehr oder weniger im Bad, etwas anderes wäre undenkbar gewesen. Sich zu einer Aussprache gegenüberzusitzen wäre schwierig geworden. Zu banal, hätte Albie behauptet. Zu unerträglich, hätte Sverre gesagt.
Die rasch entflammende Leidenschaft ließ alle Beklemmungen und Gewissensbisse vergessen. Als Sverre Albie in seinen Armen hielt, verflüchtigte sich alles außer der Tatsache, wie sehr er sich nach Albie gesehnt hatte. Sie rangen spielerisch miteinander, Albie liebte Sverres rohe Naturkraft. Der Kampf endete in einer erneuten leidenschaftlichen Umarmung, und sie küssten sich fast wie Ertrinkende.
Anschließend lag Albie in Sverres Armen, als wolle er sich vor der Kälte schützen, von der er wusste, dass sie unweigerlich kommen würde.
»Ich war ein böser Junge«, flüsterte er.
»Ich weiß«, erwiderte Sverre ebenfalls flüsternd.
»Es soll nie wieder vorkommen.«
»Auch das weiß ich.«
Keiner von beiden verspürte das geringste Bedürfnis, dieses Gespräch zu vertiefen, es waren keine weiteren Worte nötig, das spürten sie beide. So lagen sie schweigend da, bis Albie vor Kälte erschauerte. Da zog Sverre Albie an sich wie ein kleines Kind und trug ihn lachend die Treppenstufen hinaus aus dem Bassin. Er legte ihn vorsichtig auf den blau-weißen Kachelboden und warf ihm dann ein großes Badetuch zu.
»Ich habe dir ein fantastisches Geschenk mitgebracht«, sagte Albie, als er sich wie immer sehr energisch mit dem Badetuch trocken rubbelte. »Ich muss es dir zeigen, bevor wir uns zum Dinner umziehen. Stell in deinem Zimmer eine Staffelei und eine Lampe auf, dann treffen wir uns in fünf Minuten dort.«
Als Sverre im Bademantel nach unten ging, um eine Staffelei und eine zusätzliche Lampe zu holen, überlegte er, was Albie ihm wohl mitgebracht hatte. Albies Geschmack deckte sich nicht immer mit Sverres, er konnte Originelles nicht immer von Kitschigem unterscheiden.
Sicherheitshalber schraubte Sverre seine Erwartungen so weit wie möglich herunter, als Albie entzückt mit einem zur Hälfte geöffneten großen Paket unterm Arm ins Zimmer trat.
»Bist du bereit?«, fragte Albie.
»Ich bin bereit«, erwiderte Sverre vorsichtig.
Albie zog ein Gemälde aus dem knittrigen Papier und stellte es
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