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Die Brueder

Die Brueder

Titel: Die Brueder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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rechte übrigens besser.«
    »Mir auch. Aber ich hatte das Gefühl, mich durch dieses Porträt zu verraten, weil es enthüllt, dass der Künstler nicht unbedingt neutral zu seinem Objekt steht, um es englisch auszudrücken.«
    »Aber warum ein liebevolles Porträt und ein kühles?«
    »Mal sehen, was die Damen heute Nachmittag sagen.«
    »Mein Gott, Sverri, verzeih mir!«
    »Was soll ich dir verzeihen?«
    »Dass ich beim Betrachten der Bilder wie Narziss nur von mir spreche. Meine Güte, was hast du mit Margie angestellt! Du hast sie so dargestellt, wie sie sich selbst sieht oder vielmehr sein möchte, so, wie ich sie manchmal sehe. Und … das ist doch Vaters altes Arbeitszimmer! Gewagt!«
    Albie brachte kein weiteres Wort über die Lippen. Er schüttelte den Kopf und umarmte Sverre wortlos. Eine Weile standen sie so da, dann machte sich Albie los und rannte ohne weitere Erklärung den Korridor entlang Richtung Küche. Sverre blieb allein zurück. Er war sich nicht sicher, wie er Albies Reaktion deuten sollte, und begann, seine Gemälde einer kritischen Musterung zu unterziehen. Welche Fehler hatte er begangen? Sicherlich viele. Maître Degas hätte sie ohne Frage schonungslos aufzählen können. Aber niemand hätte ein treffenderes Porträt von Margie malen können. Zu diesem Schluss gelangte er voller Trotz. Es ging nicht nur um die technische Ausführung, sondern um den Kontakt zwischen Maler und Modell, der im Porträt geradezu greifbar war.
    Über das Porträt Penelopes gab es nichts zu sagen. Es sah aus wie die meisten anderen Frauenporträts im Haupthaus, obwohl die Farben klarer und heller waren. In diesem Sinne war das Porträt französischer.
    Am allerbesten jedoch war das Küchenbild. Es sprach zwar nicht für seinen Charakter, aber so viel Eigenlob musste sein. Er hätte es niemals für möglich gehalten, so etwas bewerkstelligen zu können. Natürlich besaß er ein gewisses Talent und konnte sicher hundert Meisterwerke aus dem Gedächtnis kopieren. Aber das hier war etwas anderes. Ein derartiges Küchenbild hatte vor ihm noch niemand gemalt. Aus diesem Bild sprach sein neues, befreites Ich. Die Verwandlung hatte sich während der vorurteilsfreien Arbeit mit Margie vollzogen. Sie hatte nicht gewusst, dass er nur ein studentischer Kleckser aus Dresden war, der Kulissen für Revuen gemalt, lustige Karikaturen seiner Kommilitonen angefertigt und einen falschen Rembrandt produziert hatte – ein Scherz, der sich zu einem Skandal ausgewachsen hatte. Sie hatte ihn ernst genommen und ihn befreit. Diese Gemälde, das war er selbst und sonst niemand.
    Albie kam durch den langen weißen Korridor auf ihn zugelaufen. Sein offener Morgenmantel flatterte um seine Beine. In den Händen hielt er eine Flasche Champagner und zwei Gläser, ein geradezu wilder Anblick.
    Er überreichte Sverre ein Glas und schenkte ein. Atemlos hob er dann sein Glas und stieß so energisch mit Sverre an, dass es überschwappte.
    »Auf einen Meister!«, rief er, trank und verschluckte sich.
    Eine Weile standen sie schweigend vor dem Küchenbild, das doppelt so groß war wie die anderen. Sie hatten ihre Gläser geleert, und Albie schenkte nach.
    »Wenn Émile Zola Maler wäre, hätte ich geschworen, dass dieses Bild von ihm stammt.«
    »Ich nehme das mal als Lob«, erwiderte Sverre vorsichtig.
    »Aber was siehst du eigentlich?«
    »Ich sehe, dass sich auf diesem Bild die Ereignisse förmlich überschlagen. Die Köchin Mrs. Saunders hält ein gebratenes Rebhuhn in ihrer kräftigen Linken, grad so, als wolle sie es daran hindern, ihr zu entkommen. Gleich wird sie es mit dem großen Messer, mit dem sie der neuen, verängstigt wirkenden Magd droht, zerteilen. Diese ist damit beschäftigt, Rebhuhnhälften auf einer Platte anzurichten und hat offenbar gerade vorher etwas falsch gemacht. Von den Ofentüren dröhnt es, aus der Kohlenöffnung glüht es, eine Ofentür wird klappernd von der zweiten Köchin geöffnet, im Schlund des Ofens kommen weitere gebratene Rebhühner zum Vorschein, doch, es ist wirklich ein Schlund. Schneebesen klingeln in Töpfen, und Wie-immer-sie-heißt beaufsichtigt das Herstellen der Saucen. Zwei Kammerjungfern schleichen mit einer Tragestange am Bildrand entlang, an der alle Warmwasserflaschen, mit denen sie die Betten der Gästezimmer vorwärmen sollen, aufgehängt sind. Auf diesem Bild ist wirklich einiges los! Es duftet, brodelt und stinkt. Im Hintergrund, auf der Treppe, steht der zweite Kellner, der Neue, McInnes heißt

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