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Die Brueder

Die Brueder

Titel: Die Brueder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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sie endlich nach einer mühsamen Reise, als hätten sie sich auf einen anderen Kontinent begeben, einschließlich der stürmischen Überfahrt vom dänischen Festland nach Kopenhagen, um sechs Uhr morgens in einer Hauptstadt eingetroffen waren, die noch nicht erwacht zu sein schien. Vom Bahnhof führte die einzige Geschäftsstraße schnurgerade zum Parlament und von dort weiter zu einem bescheidenen königlichen Palast. Zwischen dem Parlament und dem königlichen Palast lagen das Nationaltheater und ein neues Hotel mit dem eine Spur zu anspruchsvollen Namen Continental, in dem sie eine Suite mit Balkon zur Straße und praktischerweise mit einem angrenzenden Einzelzimmer für Margie reserviert hatten.
    Albies Vorschlag, sie als Anstandsdame auf ihrer Reise zu begleiten, hatte sie rasch angenommen. Schließlich konnte nicht einmal Sverre voraussagen, wie man in dem exo­tischen Norwegen auf zwei Gentlemen, die ein Doppelzimmer teilten, reagieren würde. In Paris war so etwas kein Problem, in Spanien wurde hingegen sogleich die Polizei gerufen. Aber mit Margie an Sverres Arm ließen sich solche delikaten Umstände elegant umgehen.
    Sie hatte jedoch nachdrücklich darauf bestanden, nicht aufgrund ihrer Rolle in diesem romantischen Arrangement mitzureisen. Sie wollte die berühmte norwegische Landschaft erleben, insbesondere die Farben im Fjell, in dem sie sich nun endlich befanden. Sie war begeistert. Diese Landschaft ließ sich besser als alles, was sie je gesehen hatte oder sich überhaupt nur hatte vorstellen können, in ihrer Collagetechnik wiedergeben, besonders wenn sie mit den Blauvariationen im Dämmerlicht arbeitete. Sie war keine technische Seiltänzerin wie Sverre und setzte auf Stimmungen und Farben statt auf die getreue Wiedergabe.
    Albie konnte Margies Begeisterung für Norwegen durchaus nachvollziehen, wenn er seinen Blick von den blauen Schatten der Gletscher zu den schneebedeckten, hell funkelnden Gipfeln und wieder hinunter in die grünen Täler mit ihren weiß schäumenden Gewässern schweifen ließ. Fast bedauerte er, nicht ebenfalls Künstler zu sein, ein Gedanke, den er sich sonst nie gestattete, der aber angesichts Sverres und Margies Glücksrausch, wenn sie nach mühevollem, stundenlangem Anstieg einen Kamm überschritten und sich ihnen der erste Blick auf die baumlose Gebirgslandschaft eröffnete, mehr als verständlich war.
    Albie hatte sich diese Norwegenreise eher wie einen bequemen Ausflug in eine bäuerliche Kultur vorgestellt, die nichts anderes von ihm erwartete, als dass er sie mit seinen Augen in sich aufnahm. Ein einfaches Land mit einfachen Problemen und einfachen Menschen, die in Kleidung und Betragen sehr an die Menschen des Kontinents erinnerten, aber doch anders waren. Den Männern, die fein gekleidet ihr Hotelrestaurant besuchten, hätte man in jedem Restaurant in London oder Paris begegnen können, möglicherweise waren sie zwei Jahre hinterher, was gewisse Fein­heiten der Mode betraf, wirkten aber im Übrigen wie Gentlemen und waren es vielleicht sogar. Sie strömten aus dem Nationaltheater auf der gegenüberliegenden Straßenseite, hatten Geld und ausnahmslos gute Laune und schienen nur selten stirnrunzelnd ernsthafte Gespräche zu führen, aber schließlich mussten sie sich auch keine Sorgen um ein Empire oder Kolonialkriege machen.
    Ihr erstes abendliches Vergnügen stand ganz in diesem Zeichen. Sverre, wie gewöhnlich mit einem Skizzenblock bewaffnet, führte sie in ein Zirkusvarieté, in dem ihr alter Bekannter, der stärkste Schwede der Welt, auftrat. Der Schwede stellte wie gehabt einen weiteren Weltrekord nach den zweifelhaften griechischen Regeln auf, die ihm erfreulicherweise sein Einkommen sicherten.
    Nach der Vorstellung luden sie den Riesen ins Restaurant im Erdgeschoss ihres Hotels ein und ließen sich mithilfe von Sverres hin und wieder etwas sporadischer Übersetzung mit Geschichten über ein fallen gelassenes Klavier plus Klavierspieler in Wien unterhalten, über betrüge­rische Veranstalter in Hamburg und den Impresario des Athleten, dessen Namen man sich in Norwegen leicht merken konnte, da er Mr. Norrman hieß, der mit dem Geld durchgebrannt war. Daher musste der stärkste Mann der Welt jetzt auch unbedingt nach Sankt Petersburg reisen, wo nächste Woche die Weltmeisterschaft im profes­sionellen Ringen begann. Vor Ort würde Mr. Sandberg sich Mr. Norrman zur Brust nehmen und alle Missverständnisse klären, was sich Albie gerne angesehen

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