Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie
tastet erneut nach Holly. Sogleich fährt ihre Hand zurück. Sie ist kochend heiß. Walls flüstert ihr zu: »So. Jetzt sehen Sie über meinen Kopf hinweg. Keine Angst, ich halte Sie.«
Der Atem stockt ihr, als sie den Blick hebt … Es sieht aus, als ob sich die Zimmerdecke bewegte und krümmte. Es ist, als hätte jemand sie über Nacht mit einer dicken Farb- oder Harzschicht bedeckt, die unter dem Einfluss der Wärme angefangen hat zu zerfließen. Aber nein, nicht die Zimmerdecke bewegt sich, es ist etwas anderes. Maria sieht auf die Wände. Ihr Blut scheint zu erstarren, als sie auf den Tapeten ganze Trauben von Insekten entdeckt. Daumengroße Hornissen und Tausende von schwarzen Wespen. Ein Schauer überläuft sie, während der Archäologe
mit Flüsterstimme erklärt: »Die kommen durch die Luftkanäle der Klimaanlage, und das schon seit Stunden.«
Maria sieht zum Lüftungsgitter hin. In der Tat, seine Lamellen sind von Insekten bedeckt. Den Ausruf des Entsetzens, der ihr unwillkürlich entfährt, erstickt Walls mit seiner Hand. Sie will schreien, aber kein Laut dringt aus ihrer Kehle.
»Kann ich Sie jetzt loslassen?«
Maria nickt.
»Sind Sie sicher? Wenn Sie nämlich losbrüllen, kaum dass ich meine Hand wegnehme, sind wir geliefert.«
Sie hebt erneut den Kopf, während Walls langsam seine Hand fortnimmt. Gerade will sie sich aufrichten, als eine Hornisse, die sich von der Zimmerdecke gelöst hat, langsam dicht an ihrer Nase vorbeifliegt, um sich denen an den Wänden beizugesellen. Erneut legt sich Walls’ Hand auf ihren Mund.
»Wollten Sie schreien?«
»Hmm.«
Langsam nimmt Walls die Hand wieder fort.
»Doch, Maria, Sie wollten schreien.«
»Ich kann Hornissen nicht ausstehen.«
»Das geht denen mit Ihnen genauso. Jetzt stehen Sie ganz, ganz langsam auf.«
»Was wird hier eigentlich gespielt?«
»Holly lockt sie an. Sie hat einen wüsten Traum. Sie ist zornig oder hat Angst. Wir müssen sie ganz vorsichtig wecken, wenn wir nicht wollen, dass ihre Leibwächter uns angreifen.«
»Was denn? Soll das heißen, dass die Kleine mit ihren Träumen Hornissen anlockt?«
»Ja.«
»Und was passiert, wenn sie sich den Knöchel verstaucht? Gibt es dann ein Erdbeben?«
Maria wendet sich zu Holly um. Die Kiefer des Mädchens mahlen, ihre Hände sind zu Fäusten geballt. Sie stöhnt im Schlaf. Maria legt ihr Daumen und Zeigefinger auf den Oberschenkel und zwickt sie. Holly fährt auf und stößt einen Schmerzensschrei aus.
»Aua, du tust mir weh.«
»Holly, wovon hast du geträumt?«
»Ich weiß nicht.«
»Gib dir Mühe.«
»Äh … ich glaube, von meiner Lehrerin. Sie hat mit mir geschimpft und mich in die Ecke gestellt.«
»Was hast du denn angestellt? Warst du ungezogen?«
»Ich glaub schon.«
»Warum?«
Maria legt ihr die Hand auf die Lippen. Sie merkt, dass das Fieber nachgelassen hat.
»Jetzt sieh mal nach oben.«
Gehorsam hebt Holly den Blick. Mit ihrer Hand erstickt Maria den spitzen Schrei, den das Mädchen beim Anblick der Insekten ausstößt.
»Das ist deine Leibwache. Wenn du träumst, dass dich deine Lehrerin in die Ecke stellt, steckt die Hälfte aller Hornissen und Wespen im Staat Mississippi ihre Nase dahin, wo dein Bett steht. Erinnere mich daran, dass ich dir zukünftig vor dem Schlafengehen eine Geschichte vorlese. In Ordnung?«
Holly nickt.
»Und schrei nicht, wenn ich meine Hand wegnehme, sonst stürzen sich die Viecher auf uns. Die gehen mir allmählich auf die Nerven.«
Maria sieht jetzt zu Walls hin, der seinerseits nickt. Langsam löst sie ihre Hand von Hollys Mund, nimmt ihre Jeans und ihr T-Shirt vom Boden und zieht sich mit ruhigen Bewegungen an.
»Was haben Sie vor?«
»Was glaubst du wohl, Gordie? Ich hole Brot – Honig ist ja schon da.«
Maria zieht die wie versteinert wirkende Holly an und nimmt sie in die Arme. Das Mädchen ist ganz verkrampft und fühlt sich eiskalt an.
»Schätzchen?«
»Ja?«
»Deine Fingernägel.«
»Was soll mit denen sein?«
»Kannst du sie bitte aus meinen Armen nehmen?«
»Entschuldigung.«
»Ist nicht schlimm, Schätzchen. Ich möchte nur nicht, dass du wütend wirst.«
Langsam geht Maria unter der dichten Schicht von Hornissen entlang, die an der Decke hängen. Holly erstarrt, als eine Wespe dicht an ihr vorüberfliegt.
»War das wirklich ich ?«
»Ja, Schätzchen.«
»Hast du gewusst, was ich alles kann?«
»Ich bin schrecklich stolz auf dich, mein Kind.«
Sie nimmt Holly am Arm. Fast hat sie die Tür erreicht, als
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