Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie
dem besten Weg dahin. Die Zwischenstadien dazu hat er schon hinter sich. Inzwischen genügen ihm weder die dunkle Brille noch spezielle Pornomagazine oder Internet-Angebote. Troy weiß, dass das FBI alles überwacht, vor allem solche Websites. Er hat sogar irgendwo gelesen, dass die Bundespolizei selbst pädophile Seiten ins Netz stellt, um anständige Bürger zu ködern. Auf jeden Fall hat er nichts für Kinder übrig, er liebt ausschließlich die kugelrunden Bäuche. Er sehnt sich danach, sie zu öffnen und zu leeren. Das ist Troys kleines Geheimnis. Inzwischen hat er auch das Stadium des Schuldbewusstseins hinter sich. Anfangs hatte ihn die Vorstellung von weit offenen Bäuchen und toten Kindern inmitten der Eingeweide entsetzt, doch nachdem er die gesamte einschlägige Literatur über Serienmörder gelesen hat, weiß er, dass er nicht der Einzige mit solchen Begierden ist, und das beruhigt ihn. Bei Licht besehen ist er genau wie sie, gesteht es sich aber noch nicht ein. Das ist der einzige Grund, warum er bisher nicht getötet hat.
Kassam taucht aus seiner Teilnahmslosigkeit auf und beißt in seinen Hamburger, der inzwischen kalt geworden ist. Dabei läuft ihm Fett über das Kinn. Der arme Troy hat seine Sympathien. Zwar ist er ein bisschen dämlich und feige, aber durchaus sympathisch. Das Gehirn eines Mannes, der seit Jahren gewohnt ist zu lügen, dürfte den Regulatoren Rätsel aufgeben und es ihnen erschweren, seine Gedanken zu lesen.
Aufgefallen war ihm Troy gleich nach der Abfahrt des Busses, in den er sich in Las Vegas geflüchtet hatte. Da befand er sich noch im Körper des dicken Schwarzen, den er sich zunutze gemacht hatte, nachdem er Sandy den Regulatoren überlassen hatte. Als sich Troy neben ihn setzte, hatte Kassam ein Knie an das seine gedrückt und sich ganz sachte auf ihn übertragen, um zu verhindern, dass das Gehirn Schaden nahm. Unmittelbar bevor der Bus in Barstow hielt und sich der Verkäufer von Badezimmer-Einrichtungen daranmachte auszusteigen, hatte es Kassam mithilfe seiner letzten Tabletten geschafft, seinen gesamten Gehirninhalt fernzuübertragen. Hätte Troys Gehirn versagt, bevor Kassam Gelegenheit hatte, sich auf der Bustoilette eine Injektion zu machen, wäre er auf alle Zeiten in den geistigen Überresten eines ehemaligen künftigen Serienmörders gefangen, der sich im Zustand des reinen Vegetierens befand. Doch war es Kassam klar, dass er sich auf keinen Fall länger im Körper des dicken Schwarzen aufhalten durfte. Erstens würden die Überwachungskameras des Kasinos Golden Nugget und des Busbahnhofs zweifellos zeigen, was vorgefallen war, vor allem aber auch, weil die Zeit nicht genügt hatte, das Gehirn des Schwarzen mit Injektionen chemischer Verbindungen zu stabilisieren, weshalb dessen Neuronen im Begriff standen, eins nach dem anderen zu versagen.
Als Kassam in seiner neuen Hülle den Bus verließ und der Theke in einem Schnellimbiss entgegenstrebte, wo er ein Getränk und einen Hamburger bestellte, war der Körper des Schwarzen scheinbar schlafend auf seinem Sitz im Bus zurückgeblieben. Kassam hatte eine Fahrkarte gekauft und war dann mit größter Selbstverständlichkeit in einen Greyhound-Bus gestiegen, der nordwärts zurück nach Las Vegas fuhr.
Eine halbe Stunde später kreuzten die Regulatoren an
der Bushaltestelle von Barstow auf. Es hatte sie eine ganze Stunde gekostet, die nötigen Erkundigungen einzuholen, dann waren sie nach Süden aufgebrochen, hatten den Bus etwa vierzig Kilometer vor Los Angeles eingeholt und im Inneren die Leiche des dicken Schwarzen gefunden, dessen Gehirn bereits kalt war. Gerade als sie Brannigan mitteilten, dass sie die Fährte verloren hatten, fuhr der Bus mit Kassam an Mesquite vorbei und setzte seinen Weg nach Norden fort.
Unmittelbar bevor er auf die Fernstraße 70 in Richtung Denver einbog, hatte Kassam die Toilette aufgesucht und Troys Gehirn mit einem ganzen Arsenal chemischer Verbindungen getränkt. Danach hatte er, den Blick auf die Berglandschaft gerichtet, die am Fenster vorüberzog, darauf gewartet, dass die Mittel ihre Wirkung taten.
Die Armbanduhr am Handgelenk seines neuen Freundes gibt einige leise Töne von sich. Mit befriedigtem Lächeln sieht Kassam, dass die ganze Zahlenreihe auf null steht. Der Countdown, der mit dem Beginn der Verseuchung zu laufen begonnen hat, ist zu Ende. Er schließt die Augen und konzentriert sich. Jetzt ist es Zeit, Ash wieder aufzuspüren.
5
Vom Rücksitz seines schweren Wagens aus
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