Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie
bereit.
7
»Igitt, das stinkt ja wirklich nach Pipi.«
»Holly!«
»Wenn es aber doch wahr ist.«
Maria und Holly gehen durch einen langen holzgetäfelten Gang. Die Wandfarbe oberhalb der Täfelung blättert überall ab. In einem Warteraum liegen auf Couchtischen zwischen zwei Sesselreihen Stapel alter Zeitschriften. Marias Blick fällt auf eine Pflegerin von etwa fünfzig Jahren, die hinter der Empfangstheke in einem Heft von Vanity Fair blättert.
»Guten Tag. Ich möchte einem der hier Wohnenden einen Besuch abstatten. Er heißt Casey Finch.«
Als hätte sie nichts anderes erwartet, sagt die Frau, nachdem
sie auf ihrer Computertastatur getippt hat: »Hier wohnt niemand, der so heißt.«
»Das ist nicht die vereinbarte Antwort.«
»Wie bitte?«
Maria nimmt ihre FBI-Marke heraus.
»Dem Reglement zufolge müssen Sie jemandem, der Casey Finch verlangt, eine genau festgelegte Liste von Fragen stellen. Theoretisch müssten die auf Ihrem Bildschirm erscheinen. Falls der Besucher die falsche Antwort gibt, müssen Sie sagen, dass man Mr. Finch am selben Morgen wegen eines Herzanfalls in aller Eile nach Memphis ins Krankenhaus gebracht hat, und sich dann mit dem Arzt dort in Verbindung setzen, der seinerseits das FBI informiert. Sodann wird das FBI, in diesem Fall ich selbst, kommen, um den Verdächtigen zu befragen. Das ist der Sinn einer solchen Liste von Fragen. Verstehen Sie?«
»Stellen Sie die richtigen Fragen, oder ich röste Ihre Visage wie eine Scheibe Toast.«
»Holly!«
Die Frau beugt sich vor und betrachtet Holly über ihre Gleitsichtbrille hinweg.
»Das Kind hat sehr schlechte Manieren.«
»Entschuldigen Sie sie bitte, sie ist ein kleines Biest. Wollen wir von vorn anfangen?«
»Das hätte keinen Sinn. Das Vorgehen ist vor zwei Wochen geändert worden. Aber Sie haben alles vollkommen richtig gesagt.«
Mit ihren Blicken durchbohrt Maria Holly, die vor Lachen herausgeplatzt ist.
»Welches Stockwerk?«
»Zweites, Aufenthaltsraum drei. Er trägt immer einen orangefarbenen Morgenmantel.«
Maria zieht das Mädchen hinter sich her, das sich zu der Frau umwendet.
»Entschuldigen Sie, was bedeutet ›telepathisch‹? Ist das eine Krankheit, die die Muskeln schlapp macht, ja?«
»Nein, meine Große. Telepathie ist eine gedachte Fähigkeit, die es Superhelden ermöglicht, durch ihre Gedanken mit anderen Superhelden in Verbindung zu treten.«
»Ist ja toll. Dann bin ich eine Superheldin?«
»Achten Sie nicht auf sie: Sie ist völlig durcheinander. Seit sie zu Hause einen Stapel Marvels entdeckt hat, Sie wissen schon, die Comic-Hefte, stößt sie im Schlaf Schreie aus wie eine Fledermaus.«
»Ja, und wenn ich das tu, setzt sich sogar noch ein Schwarm Hornissen auf mich. Stimmt es eigentlich, dass man zwei Pimmel hat, wenn man bisexuell ist?«
»Was sagt sie?«
Maria verschließt Holly den Mund mit der Hand. Die Frau sieht ihnen auf dem Weg zur Treppe nach. Als sie außer Sichtweite sind, flüstert Maria wütend: »Holly, so was darfst du auf keinen Fall zu wildfremden Menschen sagen! Willst du, dass die dich dem Jugendamt melden? Ein Glück, dass du mir versprochen hast, in Zukunft brav zu sein.«
Sie zieht sie hinter sich die Treppe empor.
»Ich will zu Onkel Gordon zurück.«
»Nein, Holly. Das willst du nicht. Du willst nur ausprobieren, wie weit du mit deinen Launen gehen kannst und ob ich mich traue, dir was hintendrauf zu geben. Sieh mich gut an. Wenn du noch zwei Minuten mit dem Blödsinn weitermachst, zieh ich dir vor allen Leuten hier die Hose runter und versohl dich so gründlich, dass du eine ganze Weile nicht sitzen kannst.«
»Weißt du auch, dass man auf den elektrischen Stuhl kommen kann, wenn man ein amerikanisches Kind versohlt?«
Maria bleibt mitten auf der Treppe stehen und geht vor dem Mädchen in die Knie.
»Holly, ist dir eigentlich klar, dass ich Onkel Gordon bitten muss, die Erinnerungen der Frau da unten zu löschen, bevor wir weiterfahren? Und ist dir klar, dass die richtig Bösen kommen und deine Dummheiten in ihren Erinnerungen lesen werden, wenn Onkel Gordon das nicht tut? Meinst du, ich habe nichts anderes zu tun?«
»Entschuldigung.«
»Nein, Holly, ich will nicht, dass du dich pausenlos ent – schuldigst und jedes Mal anfängst zu weinen, wenn ich mit dir schimpfe. Damit kommst du nicht durch. Vielleicht bei dem Blödmann Gordon, aber nicht bei mir.«
»Gordon ist kein Blödmann, sondern ein Hüter. Er ist sehr mächtig. Sein wirklicher Name ist
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