Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie
Dienststelle klingeln unaufhörlich die Telefone. Crossman fragt sich schon, ob ihn der Hauptkommissar vergessen hat, als sich dessen Stimme erneut nähert. Einer seiner Männer hat ihm einen Stapel Berichte über die vierundzwanzig Stunden vor dem Unwetter gebracht. Man hört Papier rascheln.
»Was sagst du, wie die Kleine geheißen hat?«
»Holly.«
»Was für eine Holly? Holly Christmas?«
»Ich habe nur ihren Vornamen.«
»Augenblick.«
Wieder raschelt Papier. Dann hallt die Stimme des dicken Will erneut in seinem Hörer.
»Ich hab hier vier Kinder, die zwanzig Stunden vor dem Zyklon verschwunden sind. Drei Jungen und ein Mädchen. Du bist ein ausgesprochener Glückspilz, mein Alter! Sie heißt Holly Amber Habscomb. Einer meiner Männer hat eine Stunde vor den ersten Wellen ihr Verschwinden aus einem Einkaufszentrum gemeldet. Sie war ihren Eltern entwischt, und man hat sie mit Lautsprecherdurchsagen gesucht.«
»Und dann?«
»Kam das Unwetter.«
»Hast du die Videoaufnahmen aus dem Einkaufszentrum zwischen dem Augenblick, wo die Kleine ihren Eltern entwischt ist, und dem Beginn des Unwetters?«
»Die kann ich sicher unter zwei Metern Wasser für dich raussuchen.«
»Ich brauch die unbedingt, Will.«
»Schön. Der Zentralspeicher für das Video-Überwachungssystem liegt in einem von der Flut verschonten Stadtviertel. Ich sag ja – Glückspilz. Ich stell dich da rüber, dann kannst du dich selber damit amüsieren. Bestimmt findest du deine Holly auf den Aufzeichnungen ganz leicht, denn die Leute im Einkaufszentrum haben unter Garantie automatisch auf sämtlichen Stockwerken in der Menge nach ihr gesucht – das übliche Verfahren, wenn Minderjährige verloren gehen. Und vergiss bloß nicht meine Container, sonst erfährt die Presse von unseren Zeiten in Saigon. Du weißt schon, Opium …«
»Du bist ein wahrer Schatz, Will.«
Ein letzter gebrüllter Befehl des Hauptkommissars an seine Männer. Dann ist die Leitung tot. Crossman legt auf und schaltet sich mit seinem Notebook auf die
Speicherzentrale für Aufnahmen der Überwachungskameras von New Orleans. Er gibt die Schlüsselworte für die Personenbeschreibung des Mädchens ein. Das System stellt die Aufnahmen der verschiede nen Kameras zusammen und lädt die ersten Aufzeichnungen auf den Bildschirm. Crossman lehnt sich in seinem Sessel zurück. Jetzt braucht er nur noch zu warten.
2
Nach wie vor herrscht im Krisenraum des Weißen Hauses betriebsame Geschäftigkeit. Einige Angehörige der Regierungsspitze ruhen sich erschöpft auf eigens dafür bereitgestellten Bänken aus. Andere beugen sich über Computer-Bildschirme, um die Ausbreitung des Übels zu verfolgen, während die Berater des Präsidenten die einlaufenden Mitteilungen auswerten. Das Telefon am Ohr, heben sie mit Textmarker Dutzende von Passagen hervor. Seit zwei Stunden tagen Kongress und Sicherheitsrat der Vereinten Nationen im Versuch, die Krise in den Griff zu bekommen, die sich wie ein Buschfeuer ausbreitet. Ein Oberstleutnant der Nato-Streitkräfte fasst die jüngsten Berichte aus den Botschaften für den Präsidenten zusammen: »Vor einer Stunde sah die Situation wie folgt aus: Insgesamt haben wir es mit einundsiebzig Seuchenherden auf der ganzen Welt zu tun. Alle Kontinente sind davon betroffen. Zwar handelt es sich überwiegend um Einzelfälle, die im Augenblick unter Kontrolle sind, doch wissen wir nicht, ob das von Dauer sein wird. Die fünf größten Städte Australiens sind in den ersten Stunden der Ausbreitung verseucht worden, und die Regierung in Canber ra tut alles, was in ihren Kräften steht, um dafür zu sorgen, dass keine Flugzeuge starten und die Menschen an Ort und Stelle bleiben.
Wegen der großen Bevölkerungsdichte entfallen sechzig Prozent der Fälle auf Asien, und da wiederum insbesondere auf Indien und Pakistan. Mit Ausnahme Chinas und Russlands sind von dort kaum begrenzende Maßnahmen zu erwarten. Entsprechendes gilt für den südamerikanischen Kontinent, wo die ersten Fälle in den Elendsvierteln der Großstädte aufgetreten sind. Aus Europa wird gemeldet, dass man in London, Paris, Berlin und Warschau insgesamt elf Fälle unter Quarantäne gestellt hat. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um Transit-Fluggäste an den internationalen Flughäfen. Die Hauptstädte am Persischen Golf haben ebenfalls Seuchenalarm ausgelöst. Bislang werden in den großen Handelszentren sechzehn Fälle verzeichnet.«
»Leiten Sie diese Angaben an unseren Botschafter im
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