Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie
dir spreche?«
Sein Blick hebt sich.
»Nun?«
»Nun was?«
»Was hast du in meiner Küche herumzufuhrwerken?«
»Als ich gestern Abend nach Hause kam, hab ich an deiner Veranda Licht gesehen. Du hast auf der Hollywoodschaukel geschlafen. Also hab ich dich ins Bett getragen.«
»Du hast mich ins Bett getragen? In deinem Alter?«
»So ist es. Du hast wie ein Säugling geschlafen. Ein Säugling, der nach Alkohol stank, aber trotzdem ein Säugling.«
»Und du hast mich auch ausgezogen?«
»Ja.«
»Ganz und gar?«
»Ja.«
»Du spinnst wohl, Cayley. Findest du das nicht ziemlich schamlos?«
»Maria, du könntest meine Tochter sein.«
»Hast du womöglich hier geschlafen?«
»Auf dem Sofa. Ich wollte da sein, wenn du wach wirst.« Der Geruch nach Kaffee und gebratenem Schinken steigt ihr in die Nase. Sie sieht zum Tisch hin. Da steht ein Stapel mit Butter und Ahornsirup beträufelter Pfannkuchen, auf einem Teller daneben dampfen Muffins und mit Heidelbeermarmelade bestrichene Crepes. Außerdem gibt es noch Rührei und Schinken, viel Schinken.
»Erwartest du die Rückkehr der sieben Zwerge?«
»Das ist alles für dich, Maria. Du musst essen und zu Kräften kommen. Ich pack inzwischen die Sachen in den Wagen.«
»Was für Sachen?«
Der Alte geht durch das Wohnzimmer und nimmt zwei gepackte Koffer zur Hand.
»Cayley, was tust du da? Gib sofort Antwort, oder ich knall dich ab.«
Aber Cayley hört nicht auf sie. Unter munterem Pfeifen verlässt er das Haus. Maria seufzt. Sie merkt, dass sie einen Bärenhunger hat. Sie setzt sich an den Tisch und macht sich über die Eier, den Schinken und die Crepes her, wobei sie sich das Gesicht mit Marmelade beschmiert. Dann spült sie das Ganze mit Orangensaft und einem ordentlichen Schluck Kaffee herunter. Anschließend geht sie ins Badezimmer und duscht so heiß, wie sie es verträgt. Aus
dem Wäschekorb fischt sie einige Kleidungsstücke, die der Alte nicht in die Koffer gestopft hat. Als sie sich vorbeugt, um ihre Pistole aus der Waschmaschine zu holen, sieht sie, dass der Boden davor nass ist. Die Pfütze riecht nach Waschmittel. Sie brüllt: »Cayley! Großer Gott, hast du heute Nacht die Maschine laufen lassen?«
Keine Antwort. Sie wühlt in der nassen Wäsche herum und zieht ihre Waffe heraus, die während des Rotierens die Trommel eingebeult hat. Angewidert verzieht sie das Gesicht. Ihre Glock stinkt förmlich nach Weichspüler.
Sie trocknet sich die Haare und geht ins Wohnzimmer. Dort herrscht eine geradezu ägyptische Finsternis. Cayley hat die Fensterläden geschlossen. Sie geht erneut in die Küche und sieht, dass der Tisch bereits abgeräumt ist. Wütend gießt sie sich noch einmal Kaffee ein und steckt sich eine Zigarette an. Ein Knarren. Sie dreht sich um und sieht, dass sich der Umriss des Alten im Türrahmen abzeichnet.
»Willst du mir sagen, was das alles zu bedeuten hat, Cayley?«
»Es gibt in Hattiesburg Einkäufe zu erledigen.«
»Und dazu musstest du meine Koffer packen?«
»Die Einkäufe mache ich. Du fährst weiter nach Süden.«
»Und was soll ich da?«
»Hast du immer noch nicht begriffen?«
»Was soll ich begriffen haben?«
Der Alte ist näher getreten. Die Hälfte seines Gesichts ist in den Sonnenstrahlen zu erkennen, die durch die Fensterläden dringen. Stäubchen tanzen darin. Maria setzt zum Sprechen an, aber die Worte kommen ihr nicht über die Lippen. Sie betrachtet das Gesicht ihres alten Freundes. Seine faltigen Lippen beben. Er windet verlegen die Hände. Dicke Tränen glänzen in seinen Augen.
»Verdammt noch mal, Cayley. Willst du mir nicht endlich sagen, was hier gespielt wird?«
8
Maria sitzt am Steuer, zieht an ihrer Zigarette und sieht zu, wie Cayley die Kette vor der Einfahrt zum Milwaukee Drive wieder anbringt. Seit sie das Haus verlassen haben, hat er kein Wort gesagt. Ihr war gerade noch Zeit geblieben, einige Schachteln Munition und Crossmans Unterlagen einzupacken, bevor der Alte ihr Haus abgeschlossen hatte. Sie weiß, dass es ihm nicht gut geht. Ihr Entschluss steht fest: Sie wird ihn zur Poliklinik von Salem bringen, damit man sich dort um ihn kümmert und dann nach Idaho Falls weiterfahren.
Cayley steigt hinten ein. Er schmollt unübersehbar. Maria löst die Handbremse und fährt los.
»Du hältst mich vermutlich für verrückt, was?«
»Nein, Cayley. Ich glaube nur, dass du nach wie vor nicht über Marthas Tod weggekommen bist und Hilfe brauchst.«
»Hilfe braucht die Kleine in New Orleans, nicht
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