Die Brut hinter der Mauer
trat.
Johnny schaute über den Sumpf. Er lag in einer fast bleiern wirkenden Stille. Auch der Wind war eingeschlafen. Wenn er mal als sanfte Brise über den Sumpf strich, bewegte er die Oberfläche kaum. Johnny kam es vor, als würde das Tal unter einer Kontrolle stehen. Eine Brut, eine fremde Macht, uraltes Grauen lauerte in der Tiefe und hatte sich gezeigt.
Ein Anfang war gemacht worden - schlimm genug, wie Johnny fand. Er fragte sich noch, wie es weitergehen und das Ende aussehen würde…
***
Auch Malcolm fühlte sich nicht wohl!
Das hatte zwei Gründe. Zum einen lag es an seinem schlechten Gewissen. Er hatte dem Lehrer nämlich nicht die ganze Wahrheit gesagt. Die Gegend hier kannte er recht gut, denn man sprach über sie. Im Tal des Unheils war schon öfter etwas passiert. Es gab Menschen, die waren hineingewandert, doch nie zurückgekehrt. Sie gehörten zu den spurlos Verschwundenen. Man nahm an, daß sie zu forsch gewesen waren und die Gefahr mißachtet hätten, denn der Sumpf kannte kein Pardon bei einem Fehltritt.
Das war die offizielle Lesart. Malcolm glaubte, es besser zu wissen. Er hatte stets zugehört, wenn über die alten Legenden geredet wurde, über ein Leben, das es nicht geben konnte, das längst gestorben sein mußte und trotzdem vorhanden war. Die Menschen hatten es als Brut bezeichnet, eine tödliche Brut, die sich zumeist versteckt hielt. Wenn sie sich aber zeigte, schlug sie grausam zu.
In der Nähe des Sumpfes blieb Malcolm stehen und drehte sich um. Von den Schülern sah er nichts mehr. Sie hielten sich im nahen Wald auf, wo die Blockhütten Schutz boten.
Vor der Brut bestimmt nicht…
»Verdammt!« flüsterte Malcolm und schlug ein Insekt zu Brei, das sich auf seinem Gesicht niedergelassen hatte. »Mach dich nicht selbst verrückt! Bisher ist alles nur Legende, da stimmt so gut wie nichts. Sei nicht blöd, zum Henker!«
Es hatte keinen Sinn. Die aufmunternden Worte halfen ihm nichts. Immer wieder schaute er in den verschwommenen Sonnenball hinein, der hinter dem Dunst stand. Wenn die Strahlen trafen, dann stachen sie heiß in Gesicht und Nacken.
Obwohl die Umgebung des Sumpfs als feucht bezeichnet werden mußte, wußte Malcolm, wo er trockenes Holz finden konnte. Dazu mußte er in das dichte Unterholz, wo die kleinen Bäume von Unwettern geknickt worden waren. Ohne Motorsäge war das Holzgewirr kaum zu durchdringen.
Einen letzten Blick warf er über diese gefährliche Fläche, die so unbeweglich und fast harmlos vor ihm lag. Nicht grundlos spürte er die Gänsehaut. Malcolm wußte genau, daß sich unter der Oberfläche etwas verbarg. Das schienen ihm zahlreiche Stimmen zuzuflüstern, die ihm auch rieten, das Gebiet zu verlassen.
Er schwitzte stärker als gewöhnlich. Mit einer entschlossenen Bewegung nahm er die Mütze ab und wischte sich über das schweißfeuchte Haar. Das Summen der Insekten störte ihn ebenso wie die trügerische Ruhe. Er hatte den Schülern Holz für ein Lagerfeuer versprochen und wollte das Versprechen auch einhalten. Malcolm wandte sich vom Sumpf ab und lief auf den Waldrand zu, wo das Unterholz bereits eine Barriere bildete. Die jungen, gefällten Bäume hatten sich mit ihren dünnen Ästen und Zweigen ineinanderverhakt. Dichter konnte auch eine gepflanzte Hecke nicht wachsen.
Unter seinen Schuhsohlen knirschte es, wenn er ging. Das Holz war trocken und hielt keinen Druck mehr aus. Im Unterholz blieb er stehen und suchte sich die besten Äste aus. Blätter wischten durch sein schweißfeuchtes Gesicht und blieben kleben. Spinnweben zitterten an seiner Haut entlang. Mücken und Fliegen umsummten ihn mit dumpf klingender Musik.
Mit beiden Händen packte er zu und brach einen ihm besonders günstig erscheinenden Ast ab. Das trockene Holz platzte weg. Er brach den Ast noch einmal über dem Knie entzwei. So machte er weiter. Was sich Malcolm vorgenommen hatte, führte er auch durch. Er brach in das Unterholz ein, schreckte Tiere auf, die dann davonstoben. Ein Eichhörnchen kletterte wieselflink einen Stamm hoch und verbarg sich in der Baumkrone.
Malcolm grinste. »Keine Sorge, euch tue ich nichts. Ahhh, komm schon.« Kräftig zog er an einem alten Ast und war erst zufrieden, als er das Brechen hörte. Das Geräusch blieb. Zuerst achtete er nicht weiter darauf, hielt es für eine Täuschung. Bis er feststellen mußte, daß noch immer Holz brach, obwohl er selbst eine Pause eingelegt hatte.
Malcolm spürte, wie etwas kalt seinen Rücken hinablief. Er wollte
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