Die Buchmagier: Roman (German Edition)
Libriomanten zu machen. Was Spiegel und dergleichen angeht: Sie sind vorprogrammiert für eine andere Welt. Nehmen wir beispielsweise Tolkiens Palantír.« Ich betrachtete ihre ausdruckslosen Gesichter und seufzte. »Das ist so eine Kristallkugel. Habt ihr Leute denn nicht wenigstens die Filme gesehen?«
Doktor Shah räusperte sich.
»Richtig! Die Sache ist die: Ich könnte den Palantír für einen Versuch benutzen, unseren Feind aufzuspüren. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde er uns den dunklen Herrscher Sauron aus Der Herr der Ringe zeigen. Und wenn wir richtig Pech hätten, würde Sauron durch diese Verbindung greifen, um denjenigen, der ihn betrachtet, anzugreifen oder sich seiner zu bemächtigen.«
»Dann haben Sie also keine andere Möglichkeit, diesen Libriomanten zu finden?«
Ich zögerte. »Chesa auf die Oberfläche zu bringen geht am schnellsten.«
»Wir könnten Leute durch die Luftschleuse schicken, um sie zu überwältigen«, sagte Granach langsam. »Wenn sie bewusstlos in einem luftdicht versiegelten Sarg bliebe …«
Ein Schwall aus Hitze und Flammen versengte meine Hüfte. Ich fluchte und machte einen Satz, was Klecks nur noch nervöser werden ließ. Er brannte wie ein schwarz gewordenes Marshmallow und lief vertikale Runden in seinem Käfig. Rauch quoll aus meiner Jacke, als ich sie von Klecks weghielt.
Lena riss den Käfig von meiner Jeans, was mich die Gürtelschlaufe kostete. Behutsam stellte sie ihn auf den Boden und schüttelte ihre gerötete Hand. »Hast du dir mal überlegt, dir asbestgefütterte Jeans zuzulegen?«
»Habe ich.« Ich schlenkerte die Jacke hin und her und versuchte, die Rauchquelle zu finden. Der Stoff war geschwärzt, aber nichts schien geschmolzen oder verbrannt zu sein.
»Das ist kein Rauch«, sagte Kyle leise.
Es war Nebel, dicht und schwarz, der aus meiner Jacke waberte und schnell auf die Wache zuquoll, wo er zu einer vertrauten Gestalt zusammenfloss. Rupert Loyola, besser bekannt als Herr Pfütze, packte den Kopf der Wache und drehte ihr das Genick um, dann schleuderte er die Leiche auf Alice Granach.
Ein Hieb von Loyolas schwarzen Nägeln durchtrennte den Luftschlauch in Chesas Käfig. Kyle machte einen Satz auf ihn zu und umklammerte ihn; sie taumelten, aber Loyola behielt das Gleichgewicht lange genug, um seinen Stiefelabsatz in die kleine Luftschleuse zu schmettern.
Lena stieß Doktor Shah zurück, ergriff ihren Stuhl und zertrümmerte ihn auf Loyolas Rippen. Der zerbrochene Stuhl bewegte sich in ihren Händen und trieb scharfe Spitzen aus.
Loyola löste sich unterdessen schon wieder zu Nebel auf. Er strömte fort und nahm hinter Granach wieder Gestalt an. Sie wirbelte herum, und ihre Hand schoss durch seinen halb geformten Hals.
Ich sah weg. Das Geräusch von zermalmten Knochen und Sehnen war entsetzlich genug; ich brauchte nicht noch den Anblick.
Niemand rührte sich. Nur das Wispern ausströmender Luft durchbrach die Stille. Kyle sperrte den Luftbehälter ab, aber das Zischen hörte nicht auf.
»Die Luftschleuse!«, sagte ich. Im Innern der Zelle drückte Chesa sich lachend an der anderen Seite hoch. Lena deckte die Metallplatte mit den Händen ab und versuchte den Sauerstoffzufluss zu bremsen, doch es war zu spät: Chesas Kreuzschlitzaugen flammten wie Kohlen auf.
Das Feuer brauchte länger, um sie zu verzehren. Sie brannte länger als eine Minute und lachte den größten Teil dieser Zeit, bis von ihrem Körper schließlich nur noch Asche übrig war.
Granach hob die Pistole der Wache auf und richtete sie auf mich. »Ich dachte, Loyola sei tot!«, sagte sie leise, während sie sich mit der andern Hand den Staub abstreifte, der einmal ein Vampir gewesen war.
»Er wurde erstochen und erschossen!«, rechtfertigte ich mich. »Er floh aus der Tür, fiel hin und …«
»Löste sich in Nebel auf«, beendete Lena den Satz. »Wir dachten, er wäre gestorben und verbrannt.«
»Sie haben ihn ins Herz unseres Nests getragen, versteckt in Ihrer Jacke.« Granach schritt auf mich zu. Ich sah nicht einmal, dass ihre Hand sich bewegte, aber die Wucht ihres Faustschlags ließ mich gegen die Wand torkeln.
»Kyle war auch da!«, protestierte ich. Meine rechte Kieferhälfte knackte beim Sprechen, und meine Wange blutete. »Fragen Sie ihn!«
»Denjenigen befragen, der unter dem Einfluss Ihrer Zauberei stand?« Sie zielte mit der Pistole auf meine Stirn. »Mister Vainio, Sie werde uns jetzt die Wahrheit sagen. Kooperieren Sie, und Sie und Ihre Freundinnen
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