Die Buchmalerin
das den Boden bedeckte, und die Gebäude rings um den Hof in Brand stecken. Selbst die bunten Farben der bestickten Teppiche verblassten dagegen.
Ein leises Seufzen entrang sich der Menge. Die Soldaten des Kardinals waren zwar nie schlicht gekleidet, aber in einer derartigen Pracht hatte Roger sie, seit er dem Tross folgte, noch nie gesehen. Dem Kardinal fällt es so leicht, sich die Menschen geneigt zu machen, ging es ihm durch den Kopf. Er erfüllt ihren Wunsch, sich blenden zu lassen und sich zu unterwerfen.
Der erste Teil der Reiterei beschrieb einen Bogen in dem Geviert und blieb in der Nähe des Marstalles stehen, sorgte auf diese Weise dafür, dass den Nachfolgenden ausreichend Platz zum Einzug blieb. Erneut verstummte die Menge. Als Roger nun wieder zum Tor schaute, ritt Enzio von Trient selbst in den Hof ein. Er saß lässig auf seinem großen und doch feinknochigen Fuchs, trug einen Mantel aus dem gleichen Stoff und von der gleichen Farbe wie seine Soldaten und war barhäuptig. Dennoch gab es keinen Zweifel daran, dass er der Herr des Trosses war und zu den Mächtigen der Welt gehörte. Dies lag an der Selbstgewissheit, die er ausstrahlte, und an der Art, wie er den Hof und die Menschen darin musterte – als veranschlagte er ihren Wert und überlegte, ob es ihm beliebte, sie für sich in Anspruch zu nehmen.
Während die übrige Reiterei und die Wagen sich im Hof verteilten, war Heinrich von Müllenark an Enzios Pferd herangetreten und hatte den Steigbügel ergriffen. Nachdem der Kardinal abgesprungen war, tauschten die beiden Männer den Bruderkuss.
Belustigt dachte Roger, dass der Kardinal leichtes Spiel mit Heinrich von Müllenark haben würde. Wenn jemand durch Pracht zu beeindrucken war, dann der verschwendungssüchtige, leichtlebige Erzbischof, dem niemand einen besonders standhaften Charakter nachsagte. Heinrich von Müllenarks gerötetes, aufgedunsenes Gesicht zeugte ebenso von einem ausschweifenden Leben wie sein massiger Leib. Auch der Kardinal führte wahrhaftig kein sittsames, enthaltsames Leben. Doch er achtete immerhin darauf, seinen Körper regelmäßig zu trainieren.
Als die beiden Männer auf das Portal des erzbischöflichen Palastes zugingen, das weit offen stand und den Blick in einen großen Saal freigab, kam Bewegung in die Menge auf dem Hof. Die Pferdeknechte aus dem Haushalt Heinrich von Müllenarks liefen zu den Gefolgsleuten des Kardinals, die mittlerweile auch abgesessen waren. Sie führten die Tiere zu den Stallungen. Andere Knechte des Erzbischofs halfen dem Gesinde des Kardinals dabei, die Wagen zu entladen. Roger schloss sich ihnen an und nicht den Pferdeknechten, die den Soldaten zur Hand gingen. Denn die Reiter waren wachsamer als die einfachen Bediensteten und er wollte jedes Risiko, entdeckt zu werden, vermeiden.
»Pack mit an!«, rief ihm ein Knecht, ein junger Mann, zu, der auf der Stadtseite des Hofes bereits einen Wagen erklommen hatte. Roger kletterte ebenfalls hinauf und fasste die Griffe einer breiten Truhe. Gemeinsam schleppten sie das hölzerne Behältnis zum Rand des Wagens. Dort sprang der Knecht nach unten. Sei es durch diese Bewegung, sei es, dass sie die Truhe falsch angefasst hatten oder der Inhalt ungleichgewichtig verstaut war – ehe Roger begriff, was geschah, kippte die Truhe und ihr Deckel sprang auf. Feine Leinentücher und andere kostbare Stoffe ergossen sich über das zertretene Stroh. Roger selbst verlor das Gleichgewicht und stürzte ebenfalls vom Wagen.
Ehe er sich wieder aufrichten konnte, stand Léon neben ihm. Der Diener zerrte ihn grob auf die Füße. Mit einer eigentümlichen Distanz registrierte Roger, was um ihn herum geschah: die verstörte Miene des Knechtes, der mit ihm zusammen die Truhe getragen hatte. Soldaten tauchten in Léons Rücken auf. Einer von ihnen, ein noch sehr junger Mann, hatte eine hässliche verdickte Narbe auf der Wange, als ob sich ein Stück Tau unter seiner Haut befände – der Arzt ist ein Stümper gewesen, schoss es Roger durch den Kopf. Hatten sie ihn erkannt?
Roger tastete in die Falten seines Kittels, wo er sein Messer versteckt hatte. Noch immer starrte der Diener ihn an. Das Lärmen, das den Hof füllte, hörte Roger kaum noch. Unvermittelt schoss Léons Hand vor und traf ihn so hart im Gesicht, dass er zu Boden taumelte. Einen Augenblick später erklang erneut ein lautes Klatschen und der Knecht schrie auf.
»Dummköpfe«, sagte der Diener verächtlich, ehe er sich in der eigenen Sprache an seine
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