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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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dann in einen schmalen, ebenfalls mit Steinplatten ausgelegten Gang folgte, empfand sie eine wachsende Beklemmung.

L os! Macht schon, geht nach draußen! Der Legat des Papstes, der Kardinal von Trient, wird gleich durch das Tor reiten.« Der Stallmeister, ein drahtiger Mann, dessen Gesicht von Falten zerfurcht war, rannte die lange, staubige Gasse an den Pferchen entlang. Er packte Knechte an den Schultern, als ob er sie vorwärts schieben wollte, und verteilte Knüffe an andere, die nicht schnell genug Besen und Rechen beiseite stellten. Roger, der in den Pferchen am Ende des größten erzbischöflichen Stalles Heu und Hafer in die Futterraufen verteilt hatte, setzte den Sack, den er in den Händen hielt, auf dem Boden ab. Viele Adelige aus dem Umland waren samt ihrem Gefolge nach Köln gekommen, um den Gesandten des Papstes zu begrüßen. Denen, die keine Höfe in der Stadt besaßen, gewährte der Erzbischof Unterkunft. Am Morgen hatte sich Roger unter das Gesinde der Gäste mischen können, ohne dass dies jemandem aufgefallen wäre.
    »He, du da hinten! Mach schon!«
    Roger hob die Hände, um zu zeigen, dass er den Befehl des Stallmeisters gehört hatte, und trat auf den Stallgang hinaus. Während er sich den Knechten anschloss, die durch das offene Tor nach draußen strömten, beobachtete er unauffällig die Männer ringsum. Nein, noch immer beachtete ihn niemand. Es gab Stallmeister, die niemals die Pferde ihres Herrn fremden Knechten anvertraut hätten. Aber zu ihnen gehörte der Stallmeister Heinrich von Müllenarks nicht. Von den Knechten hatte ebenfalls keiner ein Auge darauf, was die Fremden taten.
    Der Zustand des Gesindes entspricht dem, was ich bisher über den Kölner Erzbischof gehört habe, dachte Roger sarkastisch. Mein Auftrag wäre wirklich viel einfacher, wenn sich der Kardinal ebenso sorglos verhalten würde wie Heinrich von Müllenark.
    Auf dem Hof reihte er sich unter die Knechte ein, die vor dem erzbischöflichen Marstall Stellung bezogen. Der Boden des Gevierts war mit einer dicken Schicht frischen Strohs bestreut worden. Zu Rogers Rechten, jenseits der Hofmauern, befand sich der Dom, der noch aus der Zeit Karls des Großen stammte. Ebenfalls zu seiner Rechten stand, jedoch innerhalb der Mauern, eine kleine steinerne Kapelle. Im Verhältnis zu dem mächtigen Bau dahinter wirkte sie wie ein Hundejunges, das bei der Mutter Schutz suchte. Der aus Fachwerk errichtete Marstall in Rogers Rücken, dessen Gefache nach dem langen Winter schmutzig waren und frisch gekalkt werden mussten, schloss den Hof nach Osten hin ab. Linker Hand lag der dreigeschossige erzbischöfliche Palast. Die Arkadenreihe im mittleren Stockwerk verlieh dem Bau etwas Südländisches und die bunten, bestickten Teppiche, die zu Ehren des hohen Gastes zwischen den Arkaden herabhingen, stachen vom Grau des Wintertages ab. Die Dächer und Türme der Stadt verschwammen in der feuchten, kalten Luft.
    Stimmengewirr und Pferdewiehern kündigten das Kommen des Kardinals an. Roger richtete seine Aufmerksamkeit auf das Tor, durch das der Kardinal und sein Tross jeden Augenblick reiten mussten, und auf Erzbischof Heinrich von Müllenark, einen großen, fleischigen Mann, der mit seinem Gefolge gemessen über den Hof schritt. Roger empfand eine nagende Ungeduld. Hier in Köln, das ahnte er, würde sich entscheiden, ob er seinem Herrn die Treue erweisen und seinen Auftrag erfüllen konnte oder ob er versagte.
    Leute drängten sich durch die beiden stadtwärts gelegenen Tore. Wie sie eilig beiseite wichen und sich am Rand des Hofs sammelten, erinnerten sie Roger an Treibgut, das von einer mächtigen Welle erfasst und ans Ufer geschwemmt wurde. Hinter diesen Menschen, die, ihrer Kleidung nach zu schließen, Bürger der Stadt waren, schritt eine Reihe Soldaten durch das Tor. Sie trugen Lederwämse. Roger kannte die Soldaten nicht und auch von ihrer Aufmachung her konnten sie nicht zum Tross des Kardinals gehören.
    Nach den Soldaten klaffte eine Lücke und Roger spürte, wie Spannung die Wartenden ergriff. Das laute Reden verebbte. Dann ritten, in Zweierreihen, die ersten Gefolgsleute des Kardinals durch das Tor, das näher zum Dom hin lag. Über ihren Kettenhemden – jedes von ihnen entsprach dem Wert eines Ritterguts – trugen sie pelzbesetzte Umhänge aus einem leuchtend roten, samtartigen Stoff. Ihre runden Pelzmützen waren mit bunten Steinen besetzt. Das Rot der Mäntel flammte vor dem tristen Hintergrund auf, als wollte es das Stroh,

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