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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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nicht helfen«, versetzte die Frau störrisch und umklammerte Bilhildis’ Arm erneut. »Ihr habt ihn damals zur Welt gebracht. Wenn Ihr nicht gewesen wärt, hätte er schon damals nicht leben können. Wollt Ihr ihn jetzt sterben lassen? Er ist unser einziges Kind …«
    Bilhildis erinnerte sich gut an die Entbindung. Es hatte beinahe zwei Tage gedauert, bis der Kopf des Kindes zwischen den Schenkeln der völlig erschöpften Mutter sichtbar geworden war. Als es ihr gelungen war, den Säugling aus dem Leib der Frau zu ziehen, war er leblos gewesen. Ohne viel Hoffnung hatte sie den winzigen bläulichen Körper abwechselnd in heißes und kaltes Wasser getaucht, bis plötzlich Leben in ihn kam und das Kind einen lauten Schrei ausstieß.
    »Ich kann nicht mit Euch kommen«, entgegnete Bilhildis traurig. »Ich habe versprochen, die Stadt zu verlassen.«
    »Ach ja, die Beginen sagten, dass Ihr Euch um einen kranken Verwandten kümmern müsst.« Die Gattin des Seifensieders wischte sich mit der freien Hand abwesend über die Augen. Ihr Blick wurde wieder klar, als sie drängend fragte: »Kann ihm wirklich niemand anderes helfen? Nur Ihr?«
    »Ich habe es versprochen …«
    »Ist es wirklich so? Könnt nur Ihr Eurem Verwandten helfen? Ist denn ein Leben nicht mehr wert als ein Versprechen?«
    Bilhildis blickte auf die hohe, leere Tordurchfahrt. Schmutz und der Rauch der Fackeln, die stets am Abend vor dem Tor brannten, hatten sie im Lauf der Jahre geschwärzt. Der Weg dahinter führte durch verschneite Gärten und Felder und würde irgendwann eine Biegung zum Fluss hin machen. Sie war Luitgard Gehorsam schuldig. Sie hatte ihr und Donata versprochen, die Stadt zu verlassen. Und Donata hatte ihretwegen das Opfer gebracht, bei den Benediktinerinnen Zuflucht zu suchen. Aber zählte ein Leben wirklich nicht mehr als ein Versprechen? Hatte Gott ihr diese Frau geschickt, die sie um Hilfe bat? War dies das Zeichen, auf das sie insgeheim gehofft hatte?
    Mit fester Stimme sagte sie: »Ich komme mit Euch. Aber ich kann nur so lange bei dem Kind bleiben, bis sich zeigt, ob es überleben wird. Dann muss ich die Stadt verlassen.«
    Die Gattin des Seifensieders starrte Bilhildis an. Als sie begriff, dass die junge Frau ihren Entschluss geändert hatte, breitete sich Erleichterung auf ihrem Gesicht aus. »Ich danke Euch …«
    »Ihr müsst mir nicht danken!« Als Bilhildis zusammen mit der Gattin des Seifensieders die schmale, schmutzige Gasse in Richtung der Stadt entlanghastete, fühlte sie sich, trotz ihrer Angst, getröstet.

    *

    Gegen Mittag desselben Tages, im Palast des Erzbischofs, hob Enzio einen versilberten Becher an den Mund. Langsam und bedächtig kostete er den tiefroten Wein. »Vorzüglich. Ein Traventiner?«, sagte der Kardinal von Trient mit einem anerkennenden Kopfnicken.
    »Ja, Ihr habt es getroffen. Es freut mich, dass Euch der Wein schmeckt.« Ein erleichtertes Lächeln zog über das Gesicht Heinrich von Müllenarks.
    Enzio trank noch einmal von dem Wein – der, wie er fand, tatsächlich eine ausgezeichnete Qualität hatte – und dachte amüsiert, dass der Kölner Erzbischof oft nicht sonderlich klug handelte. Zum Beispiel war Heinrich von Müllenark dumm genug gewesen, einen Krieg mit dem Herzog von Limburg zu beginnen. Einen Krieg, der ihm nur einen Schuldenberg und ein beschädigtes Ansehen bei den Bürgern der Stadt eingebracht hatte. Außerdem war er auch so unklug und unvorsichtig gewesen, sein ausschweifendes Leben nicht besser zu verbergen. Aber immerhin besaß er genug Schläue, über ihn, den Kardinal von Trient, und seine Vorlieben Erkundigungen anzustellen.
    Eigentlich ist es wirklich schade, überlegte Enzio, während er den Wein weiter genießerisch verkostete, dass ich nun nicht mehr erleben kann, wie Heinrich von Müllenark den Inquisitor Gisbert willkommen heißt. Ein härenes statt des blauen Seidengewandes, das er trägt, würde dem Erzbischof schlecht zu Gesicht stehen. Und der Arme würde wirklich ernsthaft in Bedrängnis geraten, wenn er sowohl mich als auch Gisbert zufrieden stellen müsste. Nein, durch den Tod des Inquisitors habe ich nicht nur mir selbst, sondern auch Heinrich von Müllenark viele Schwierigkeiten erspart.
    »Es ist mir eine Ehre, den Legaten des Papstes beherbergen zu dürfen«, der Erzbischof beugte sich vor und räusperte sich. »Ich hoffe, dass Ihr Euch bald von meiner Unschuld überzeugen könnt. Es steht alles zu Eurer Verfügung … Alle Listen, auf denen die Einnahmen

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