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Die Bucht der schwarzen Perlen

Die Bucht der schwarzen Perlen

Titel: Die Bucht der schwarzen Perlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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auffordernd an und hielt ihm noch immer Pater Richards Kleidung hin. Ron nagte an der Unterlippe, suchte einen Ausweg und griff dann mit einem Seufzer nach Schuhen, Hose, Hemd und Soutane.
    »Hast du noch was?« fragte er. »Natürlich hast du noch eine Menge von ihm. Bestimmt besaß er eine Uhr, nicht wahr? Und das ganze Meßgerät fehlt … die Hostiendose, der Kelch, das kleine Reiseweihrauchkesselchen … Das wirst du mir alles noch bringen, Tápana, ich weiß das.«
    Er nahm des Paters Kleidung über den Arm, ging zu der verfallenen Hütte zurück, streifte seine Jeans ab und zog Richards Hose an. Sie paßte wie für ihn gemacht, und Ron stellte sich den Pater vor. Sicher war er so groß wie er selbst gewesen, vielleicht sogar mit den gleichen blonden Haaren über einem kantigen Gesicht.
    Auch das Hemd war passend, etwas weiter als Rons Hemden, was bewies, daß Emanuel Richards breiter als er gewesen war. Die Schuhe, in den langen Jahren hart im Leder geworden, waren eine Nummer zu groß, aber sie boten einen hervorragenden Schutz gegen die im Sand liegenden Korallenspitzen.
    Doch als Ron die Soutane überzog und die oberen Knöpfe schloß, kam er sich unbehaglich vor, so als trüge er das Priestergewand auf einem Maskenball und jeder starre ihn strafend an.
    »Ich werde es sofort ausziehen, Emanuel!« sagte er in die Stille der Hütte hinein. »Nur ein paar Schritte gehe ich damit hin und her, dann hänge ich es an die Wand neben das Kreuz.«
    Er drehte sich einmal um sich selbst, bedauerte, jetzt in keinen Spiegel blicken zu können, und verließ dann seine Hütte. Langsam ging er am Strand entlang zum Dorf, eine weiße, in der Sonne leuchtende Gestalt. Der Wind spielte mit der Soutane und blähte den Stoff etwas auf … und plötzlich war er nicht mehr allein, drei alte Männer rannten vom Dorf auf ihn zu, stellten sich ihm in den Weg, fielen auf die Knie und hoben ihre gefalteten Hände.
    »Nicht! Das ist ein Irrtum!« schrie Ron. Er spürte das rasende Klopfen seines Herzens und gleichzeitig eine ohnmächtige Wut. »Ich bin es nicht! Verdammt, steht auf, ihr vergreisten Gehirne, begreift es doch: Ich bin nicht Pater Richards! Ich will euch auch keinen fremden Gott bringen, will nicht von Liebe und Güte predigen. Ich will nur weg von hier. Weg!«
    Mit bebenden Fingern knöpfte er die Soutane auf, zog sie hastig über den Kopf und warf sie in den Korallensand.
    Die drei alten Männer beugten sich nach vorn, zogen das Gewand näher zu sich heran und küßten es. Und dann sangen sie, mit dünnen, zittrigen Stimmen, und sahen hinauf zu Ron Edwards.
    Er drehte sich um, riß die Soutane aus dem Sand und lief davon.

3.
    Den ganzen Tag über blieb er in der Hütte. Die Soutane hatte er zusammengerollt und benutzte sie als Kopfkissen, nicht nur weil er so bequemer lag, sondern auch aus stillem Protest, daß man ihn jetzt als einen Nachfolger von Pater Richards ansah.
    Niemand besuchte ihn an diesem Tag, selbst das schöne Mädchen Tama'Olu nicht. Sie brachte ihm kein Essen, nichts zu trinken, keine Früchte. Er konnte sich weder an ihrem Lächeln noch am Anblick ihres schönen Körpers erfreuen.
    Obgleich er erst vor zwei Tagen auf diese Insel gespült worden war, vermißte er sie bereits. Seit Stunden wartete er auf das Knirschen der windschiefen Tür, auf Tamas sanfte Stimme, auf die vielen wohlklingenden Worte, die er nicht verstand, auf das leise Tappen ihrer nackten Füße im weißen Korallensand.
    Das ärgerte ihn maßlos, denn je entschiedener er sich vornahm, nicht an Tama zu denken, um so heftiger kreisten seine Gedanken um sie.
    Außerdem hatten die drei alten Männer, die bestimmt von Pater Richards getauft worden waren, sich vor der Hütte in den Schatten der Palmen gesetzt und sangen abwechselnd mit ihren dünnen Greisenstimmen Lieder, die der Melodie nach Kirchengesänge waren. Hörte der eine auf, setzte der andere an, und so ging es stundenlang, ohne Ermüdung, immer dieser zittrige Singsang, der an Rons Nerven zerrte.
    Er rollte Blätter zusammen, ließ sie sich im Tonkrug voll Wasser saugen und stopfte sie dann in seine Ohren. Es half alles nichts – in seinem Inneren klangen die Lieder wider, und seine Gedanken blieben bei Tama'Olu, ihren schwarzen Augen und ihrem verführerisch schönen Körper.
    Erst am Abend stellten die drei alten Männer ihren Gesang ein und gingen zurück ins Dorf. Dafür kam Tápana zu Besuch, brachte ein Stück Schweinebraten mit, zeigte es Ron und verließ wieder die

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