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Die Bucht der schwarzen Perlen

Die Bucht der schwarzen Perlen

Titel: Die Bucht der schwarzen Perlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Sonne ihre nackte Haut glitzern ließ, als sei sie mit Kristallen übersät. Mit kleinen, graziösen Schritten kam sie auf ihn zu, hielt ihm ein großes Tuch hin, drehte ihm den Rücken zu und hob die Arme über den Kopf.
    Abtrocknen, hieß das. Mein Liebster, trockne mich ab.
    Und Ron kam der Aufforderung nach, rieb das Meerwasser von ihrer Haut und rubbelte ihr langes Haar trocken, so, als sei es selbstverständlich und immer so gewesen, daß er sie nach einem Bad in ein Tuch rollte und mit leichter Hand massierte.
    Aber er hielt sich an seine Abmachung und sagte kein einziges Wort. Doch er war glücklich, ihre schlanke Gestalt unter seinen Händen zu spüren und den Duft ihres Haares einzuatmen.
    Ron brauchte Tama'Olu nicht aus seiner Hütte zu werfen, auch mußte er sich nicht länger zwingen, sie zu übersehen. Zu seiner größten Verwunderung verließ sie ihn, nachdem er sie abgetrocknet hatte. Sie schlang den bunten Baumwollstoff wieder um ihren schlanken Körper, sagte »Sai pe« (danke), warf mit beiden Händen ihr langes Haar über die Schultern und ging hinaus.
    Was soll nun das wieder? dachte er verblüfft. Welchen Trick spielt sie jetzt aus? Glaubt sie etwa, ich komme ihr nach? Bildet sie sich vielleicht ein, ich sei ihr schon hörig? Irrtum, mein Mädchen! Ich rühre mich nicht von der Stelle. Vielleicht ist jetzt das ganze Dorf versammelt, starrt auf meine Hütte und wartet, daß ich dir nachrenne. Und dann klatschen alle in die Hände und jubeln, und Tápana küßt mich wieder, und ich werde in das Häuptlingshaus geführt, und alle wollen sehen, wie ich Tama liebe. Wer weiß, wie hier die Sitten sind?
    Er setzte sich auf die Bettkante und wartete. Draußen hörte er Stimmen, fleißige Hände stopften die letzten Löcher in der Flechtwand der Hütte, über ihm raschelte es – dort band man die neuen Dachmatten fest –, und in der Tür erschien einer der getauften Männer, lachte ihn mit seinen Zahnlücken an und rief: »Halleluja!«
    Ron rührte sich nicht aus dem Haus. Er wartete. Wartete auf Tama'Olu mit der sich steigernden Ungeduld eines Versetzten. Sie kommt nicht, dachte er und erlebte zum erstenmal ein bedrängendes Gefühl, das vom Kopf bis in den Magen zog. Ich will sie sehen, ich muß sie sehen … nur sehen, weiter nichts. Das ist doch ein harmloser Wunsch, nicht wahr? Ich will nichts, als ihre Stimme hören, ihren Blick einfangen, ihre zarte Gestalt bewundern. Ihr Haar soll im warmen Wind wehen, und der Wind soll das Kleid fest an ihre Brüste pressen. Die Sonne läßt bestimmt ihre seidige Haut glänzen – ein erregender Anblick. Nur das will ich, nur das … Warum kommt sie nicht zurück?
    Um die Mittagszeit brachten zwei junge Frauen die noch heißen, frisch gebackenen Fladen, einen süßen Brei aus zerdrückten Früchten und eine halbe, rotfleischige Wassermelone. Sie legten alles vor Ron auf den Boden, kicherten wie zwei alberne Teenager und rannten wieder aus der Hütte.
    Warum bringt Tama'Olu mir nicht das Essen, so wie bisher? Was ist da draußen im Dorf vorgefallen? Was hat man mit ihr angestellt?
    Unruhe stieg in Ron auf und nahm ihm fast die Luft zum Atmen. Ein paarmal schlug er die geballten Fäuste zusammen, lief dann nervös in der Hütte auf und ab, riß die Tür auf und blickte hinüber zu den hohen, geschwungenen Dächern.
    Im Dorf war kein Mensch zu sehen, es wirkte wie ausgestorben. Kein Mann, der arbeitete, war zu entdecken, keine Frauen, die schwatzten, kein Kinderlachen, nicht mal die Hunde streunten zwischen den Palmen und dem Strand herum.
    Ron blieb in der Tür stehen und wischte sich mit beiden Händen über das schweißnasse Gesicht. Junge, da braut sich was zusammen, sagte er sich. Soviel Frieden bedeutet Sturm. Was habe ich falsch gemacht?
    Und es gibt keine Möglichkeit, sich zu wehren oder einfach davonzulaufen …

4.
    Der Drang, die Insel Tonu'Ata so schnell wie möglich zu verlassen, nahm überhand. Ron ging hinunter zum Strand, wo sein kleines Schlauchboot noch immer mit einem Strick an einer windschiefen Palme festgebunden war. Niemand hatte es angerührt, sogar das Paddel war noch vorhanden. Eine Umhängetasche aus nylonüberzogenem Leinen lag auf dem Boden.
    Ach ja, dachte Ron und griff nach der Tasche, die hatte ich völlig vergessen! Unter sehr ehrlichen Menschen lebe ich hier, anderswo wäre sie längst gestohlen worden. Er hatte Mühe, die Tasche zu öffnen: Den Knoten der Leinenkordel, bretthart durch das in der Sonne kristallisierte Salz des

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