Die Bucht der schwarzen Perlen
von Mikimoto, dem Perlenkaiser von Japan.
Es gab allerdings auf Tahiti auch echte schwarze Perlen, keine gezüchteten, sondern von Perlenfischern aus der Tiefe der Riffe heraufgeholte, natürlich in den Muscheln gewachsen, so selten und wertvoll wie Diamanten. Das waren keine kleinen Perlmuttkugeln, die in eine Muschel eingepflanzt worden waren, sie entstanden aus einem winzigen Sandkorn, das in die Muschel gespült worden war. Die Muschel umspann dann den Fremdkörper – eine echte Perle entstand.
Eine echte schwarze Perle … ein Vermögen, ein Kunstwerk der Natur.
Und hier trugen die Frauen, sogar die Kinder Ketten davon, als seien es gefärbte Steine.
Tonu'Ata war eine Insel, auf der Millionen Dollar schliefen …
»Woher?« fragte Ron erregt und hielt Tama'Olu die Ketten vors Gesicht. »Wo?« Er zeigte hinaus aufs Meer, dann auf die Perlen und hob die Schultern. Er machte mit den Armen die Bewegung des Schwimmens und hob anschließend die Ketten hoch »Tama'Olu … wo hast du sie her?«
Daß er ihren Namen nannte, schien sie zu erfreuen. Sie nickte, erhob sich vom Boden, nahm ihm die Perlenketten aus der Hand und streifte sie wieder über ihren Kopf. Sie fielen über ihre schönen Brüste und schimmerten in der Sonne. Dann zeigte Tama mit ausgestrecktem Arm in das Innere der Insel und sah Ron auffordernd an.
»Dort?« fragte er ungläubig. »Das gibt's doch gar nicht! Du kleines Luder, Perlen wachsen nicht auf Bäumen, und wenn doch, dann sind es keine Perlen, sondern perlenähnliche, bisher unbekannte Samenkörner, von denen bisher niemand eine Ahnung hatte. Tama'Olu, das mußt du mir zeigen.«
Es war, als verstünde sie ihn. Sie faßte seine Hand und zog ihn mit sich fort in eine Richtung, die er noch nicht gegangen war. Es war ein Weg durch einen Palmenhain und zwischen hohen Farnen hindurch. Ein Weg, der anstieg und sich um Felsen herumwand, durch säulenartige Steingruppen, die davon zeugten, daß auch diese Insel einmal aus dem Meer gestiegen war, emporgehoben durch vulkanische Urgewalten.
Plötzlich blieb Tama'Olu stehen, löste den Rock von ihren Hüften, stellte sich auf die Zehenspitzen und umwickelte mit dem Stoff Rons Kopf. Er wollte den Stoff wegreißen, aber sie hielt seine Hände fest, und sie entwickelte eine solche Kraft, daß er überrascht war.
Nun gut, dachte er, verbinde mir die Augen. Ich habe ein gutes Orientierungsgefühl – den Weg werde ich wiederfinden.
Sie verknotete den Rock um seinen Kopf, faßte dann seine Hand und zog ihn hinter sich her. Links, dachte Ron. Nach ungefähr hundert Schritten wieder rechts. Dann eine Weile wieder geradeaus. Jetzt geht es ein Stück aufwärts, unter meinen Schuhsolen spüre ich Steine … und nun geht es abwärts, Zweige schlagen meinen Körper, es muß ein enger Pfad sein, der ziemlich steil nach unten führt. Und dann hörte er plötzlich wieder das Rauschen von Meereswellen, die gegen das Riff anrannten und sich dort brachen, hörte das Schreien der Seevögel und spürte den warmen Wind, der vom Ozean zu ihnen herüberwehte.
Wie lange sind wir gegangen? Vielleicht etwas mehr als eine halbe Stunde. Wir müssen an einer anderen Küste der Insel sein, westlich von meiner Hütte, wenn mich mein Gefühl nicht täuscht. Er tappte an Tama'Olus Hand weiter, hörte ein Knirschen unter den Füßen und spürte den feinen Sand, der bei jedem Schritt in seine Schuhe drang.
Tama'Olu blieb stehen und löste den Knoten in Rons Nacken. Als sie ihren Rock von seinem Kopf zog, sah er zuerst das Meer. Frei lag es vor ihm, nicht abgegrenzt durch Korallenriffe. Und was er für das Brechen von Wellen jenseits der Lagune gehalten hatte, war das Aufschäumen des Ozeans an dunkelgrauen, bizarren Klippen, die einen kleinen, schmalen, halbrunden Strand umsäumten.
Hinter ihnen führte der Weg in die Felsen hinein, durch windschiefe Palmen und zerzauste Frangipanibüsche hindurch … ein Platz von wilder Schönheit und unberührter Einsamkeit.
»Hier?« fragte Ron und starrte auf die Klippen, gegen die die Brandung tobte. »Mein Süßes, da kann doch keiner ins Wasser. Da wird man doch sofort an die Felsen geschleudert. Und ich wette, hier gibt's auch Haie.«
Er sah Tama'Olu ungläubig an. Sie stand neben ihm in völliger Nacktheit, den Rock in der Hand, und sie schien es selbstverständlich zu finden, daß er sie so sah. Sie streckte den linken Arm aus und zeigte auf das Meer, jetzt erst bemerkte Ron, daß eine Kette von Kokosnüssen auf den Wellen trieb –
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