Die Bucht der schwarzen Perlen
fühlte sich steinhart an, die komprimierte Luft war wie ein großer Ballon in ihr. Pfeifend atmete sie wieder aus und tippte auf seinen dichtbehaarten Bauch. »Du auch …«
Ron saugte so viel Luft ein, wie er konnte, dann hielt er den Atem an. Tama'Olu streckte einen Finger nach dem anderen aus und zählte die Sekunden. Sie ließ die Hände fallen, als Ron wieder Luft holen mußte.
Fünfundzwanzig Sekunden lang konnte Ron die Luft anhalten. Doch Tama war damit nicht zufrieden. »Mußt haben Teau (hundert). Mehr als Teau … du kannst gar nix tauchen …«
»Ich habe bisher auch immer mit Maske und Preßluft getaucht, du Hexe!« entgegnete Ron. »Ich habe keine Walfischlunge! Und um an die Perlen zu kommen, laß' ich mir noch was einfallen, du wunderschönes Luder.«
Es half kein Protest, und es half auch nichts, daß Ron ein paarmal nur mit letzter Kraft wieder auftauchen konnte – Tama'Olu war unerbittlich, übte mit ihm jetzt hinter der Korallenbarriere im wellenreichen, tiefen Ozean.
Das ging vier Wochen so, jeden Tag ein paar Stunden, nach denen Ron stets ausgepumpt, schlaff und total erschöpft im weißen Korallensand lag, ein Handtuch über dem Gesicht und selbst zu schwach war, um Tama'Olu zu sagen: Nein, das mache ich nicht mehr mit, das halte ich nicht länger aus. Du bringst mich noch um, du zartes, bärenstarkes, wunderbares Weibsstück. Ich kann nicht mehr, und ich will auch nicht mehr. Aber am nächsten Morgen fuhren sie mit dem Schlauchboot wieder hinaus auf die offene See, und gehorsam stürzte sich Ron in die Tiefe, wenn Tama'Olu mit der Hand nach unten zeigte. Jedesmal folgte sie ihm dann, und sie blieb immer länger als er unter Wasser, so als habe sie gar keine Lungen.
Für den Haushalt, für die Beschaffung des Essens sorgten Tamas Brüder. Sie fischten für Ron, sie ernteten auf den Feldern, kletterten die Palmen hinauf und schlugen die Kokosnüsse ab. Wenn Ron und Tama'Olu wieder zurück zu ihrer Hütte kamen, hatten die drei alten Männer, die Pater Richards getauft hatte, für sie gekocht. Sie sangen glücklich einen Choral, während die anderen aßen.
Nach sieben Wochen Quälerei hatte es Ron geschafft, zwei Minuten unter Wasser zu bleiben. Das war das Äußerste! Wenn er nach diesen zwei Minuten wieder an die Oberfläche schoß und einatmete, war es ihm, als zerplatzten ihm Lungen, Herz und Hirn.
Aber zwei Minuten war schon eine gute Leistung; Tama schien zufrieden zu sein. Sie gab Ron einen langen Kuß, rieb seinen gemarterten Körper mit einer duftenden Salbe ein, deckte ihn mit scharf riechenden, aufgeweichten Blättern zu, und ein so köstliches Gefühl der Entspannung durchrann ihn, daß er auf der Stelle einschlief.
Als er erwachte, fühlte er sich stark, kräftig und unternehmungslustig. Er sah Tama neben sich liegen in ihrer wundervollen Nacktheit, zog sie an sich – und da war es wieder, das Vergessen von Himmel und Welt. Nur sie war noch da, nur sie und ihre betäubende Zärtlichkeit.
»Morgen«, sagte sie an diesem Abend. »Morgen, Ovaku, gehen wir zu den Perlen.«
Er nickte, vergrub sein Gesicht zwischen ihren Brüsten und war glücklich, einfach glücklich.
Sie paddelten beide an der Markierung aus Kokosnüssen entlang und hatten keine Mühe, die Muschelbänke zu erreichen. Die Wellen waren ziemlich glatt hier draußen, im Gegensatz zu der Brandung an den Riffen, die wie immer donnernd und schäumend an den Felsen emporstieg. Dort mußte eine besondere Strömung herrschen, und es kostete viel Kraft, zu der kleinen weißen Bucht zu paddeln, über schaumige Wellen hinweg, bis man kurz vor dem Sandstrand in ruhiges, flacheres Wasser geriet.
Vom Meer aus sah die Bucht wie ein verwunschenes Stück Land aus. Die dunkelgrauen Vulkanfelsen, die vom Wind schräggebogenen Palmen, die Frangipanibüsche, hinter denen der schmale Weg ins Inselinnere begann, das dichte Buschwerk, das die säulenartigen Steine umwucherte, abweisend, aber dennoch von einer bizarren Schönheit war diese Bucht, vor der die Muschelbänke der schwarzen Perlen lagen.
»Hier«, sagte Tama'Olu plötzlich und legte Ron die Hand auf die Schulter. »Hier! Tu'u!« (Halt.)
Ron sah sich um. Die Kokosnußmarkierungen waren schon weit von ihnen entfernt, sie schaukelten bereits um die Klippen herum, an Felsen vorbei, die steil und uferlos ins Meer abfielen.
»Bist du sicher?« fragte er zweifelnd. »Hier? Wir sind doch weit weg von den Nüssen.«
»Gute Perlen hier. Glaub mir.« Tama'Olu zeigte ins Meer.
Weitere Kostenlose Bücher