Die Bucht der schwarzen Perlen
viele Privatyachten, deren Besitzer mal einen Abstecher hinüber nach Papeete machten oder einfach so, aus Vergnügen, hinausfuhren auf den Ozean, wo man dann mit riesigen Angeln nach Haien jagte oder Bordparties feierte. So war es für Ron ganz selbstverständlich, daß das Schiff zurückblieb. Wahrscheinlich hatte es abgedreht, um nach Bora-Bora zurückzukehren.
Drei Tage lang ließ Ron sich Zeit, trieb auf der schwach bewegten See dahin und lernte all die ihm unbekannten Instrumente an Bord kennen. Die Gebrauchsanweisungen hatte er in einer Schublade neben dem Seekartenschrank gefunden, er hatte sie durchstudiert und an den Instrumenten geübt.
Radar und Autopilot waren am wichtigsten. Er gab verschiedene Kurse ein und freute sich, wenn der Autopilot sofort reagierte und die Yacht in die gewünschte Richtung brachte. Auch das Farbradar hatte er bald im Griff.
Am zweiten Tag tauchte auf dem Bildschirm ein Punkt auf, der sich seiner Position näherte, dann aber zur Seite abschwenkte. Mit seinem starken Fernglas erkannte Ron wenig später in der Ferne einen Frachter, der an ihm vorbeizog, Richtung Tahiti.
Mühe machte ihm nur der Satellitenpeiler. Trotz Automatik mußte er doch auf der Seekarte den Kurs nach Rarotonga auf den Cook-Inseln nachrechnen und geriet mehrmals in Bedrängnis. Mathematik war noch nie Rons starke Seite gewesen. Er hatte auf dem Gymnasium während des Mathematikunterrichts mit Vorliebe Karl May gelesen und hatte von seinem Mathematiklehrer bestätigt bekommen: »Ich bin jetzt seit über dreißig Jahren Studienrat – so eine Niete wie dich habe ich noch nicht erlebt!«
Drei Tage dauerte es, dann hatte Ron sich so weit eingearbeitet, daß er die Funktion der Instrumente verstand und sie bedienen konnte. Am wunderbarsten erschien ihm der Autopilot, der die Yacht, wie von Zauberhand gesteuert, auf das eingegebene Ziel zufahren ließ.
Als er dann zunächst im Radar und später durch das Glas die Küste von Rarotonga sah, vollführte er im Salon einen kleinen Freudentanz und sagte zu sich selbst voller Stolz: »Ron, jetzt bist du ein richtiger Skipper! Du hast das erste Ziel ohne Schwierigkeiten erreicht. Auf den Punkt. Und das in diesem riesigen Stillen Ozean.«
Auch die weitere Fahrt gelang ihm. In Rarotonga tankte er auf und kam mit dem Treibstoff gerade noch bis zu einer der einsamen Inseln im Pazifik, dem Eiland Niué, wo er vor dem winzigen Hafen auf Reede gehen und mit dem Beiboot das Benzin in Kanistern zu seinem Schiff bringen mußte. Niué stand unter neuseeländischer Verwaltung, besaß sogar einen Flugplatz und war berühmt für seine schönen Briefmarken. Auch gab es mehrere Schulen dort, ein Hospital, zwei Hotels, in denen hauptsächlich Amerikaner einen ruhigen Urlaub verbrachten – und einen Supermarkt.
Die Eingeborenen halfen Ron und brachten mit ihren breiten Booten frisches Wasser, Obst und Fleisch zu ihm an Bord. Der ›Gouverneur‹ der Insel, der Besitzer des Supermarktes, stattete Ron einen Gegenbesuch ab, bewunderte die schnittige Yacht und trank im Salon zwei eisgekühlte Whiskys, denn draußen war es heiß und feucht.
»Ziehen Sie um?« fragte er, nachdem er gesehen hatte, wie vollgepackt das Schiff war. »Oder wandern Sie aus nach Australien oder Neuseeland?«
»Ich suche eine Insel, auf der ich allein bin«, antwortete Ron.
»Und wovon wollen Sie leben? Auf einer einsamen, unbekannten Insel werden Sie weder Trinkwasser noch Tiere zum Jagen finden. Sicherlich gibt es dort einen schönen Strand, aber dahinter beginnt mit Wahrscheinlichkeit die Wildnis. Alles, aber auch wirklich alles müssen Sie heranschaffen, bis Sie in ein paar Jahren soweit sind, daß Sie einige Felder angelegt haben, ein paar Ziegen und Schweine auf Ihrer Insel herumlaufen, Hühner und ein Hund. Einen Hund müssen Sie nämlich haben, sonst werden Sie verrückt in der Stille. Mit einem Hund kann man sprechen, kann man sich unterhalten … und das alles wollen Sie auf sich nehmen? Warum?«
»Es war schon immer mein Traum – von Kindheit an«, log Ron.
»Und Ihr Job? Sie müssen doch einen guten Job gehabt haben, sonst könnten Sie sich so ein Schiff nicht leisten. Wollen Sie das alles hinwerfen?«
»Mein Betrieb läuft auch ohne mich weiter.«
»Also scheffeln Sie Geld, von dem Sie nichts mehr haben. Auf Ihrer Trauminsel brauchen Sie kein Geld.« Er zögerte einen Moment, dann sagte er: »Ich mache Ihnen einen Vorschlag.«
»Ich höre.«
»Bleiben Sie einfach hier. Hier auf Niué. Als
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