Die Bucht der schwarzen Perlen
Holzstäben, Speere und Netze und eine lange Reuse. Tama'Olus Eltern, die drei Brüder und die Schwester, den vor vier Wochen geborenen Säugling an der Brust, klatschten vor Begeisterung in die Hände.
Ein Festtag für das ganze Dorf! Freude auf Tonu'Ata!
Tama'Olu ist die Frau von Vaimalo geworden!
Hochzeit wird gefeiert. In den Erdöfen gart schon das Gemüse, brutzelt das Fleisch, dampfen die Früchte.
Ron riß die Augen wieder auf, als käme er aus einer Art Trance wieder in die Wirklichkeit zurück.
Mit weit ausgreifenden Schritten rannte er ins Dorf, und ihm wurde klar, daß der Gesang und das Trommeldröhnen tatsächlich aus Tápanas' großem Haus kamen.
Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Nein, begehrte er auf, nein, Tama'Olu, das kannst du doch nicht tun! Ich bin ja zurückgekommen! Ich bin hier, du gehörst mir, mir ganz allein … Mein Engel, du kannst doch gar keinen anderen Mann lieben als mich! Wir gehören zusammen, wie noch nie zwei Menschen zusammengehört haben! Tama'Olu, du kannst doch keinen anderen Mann heiraten! Tama …
Er stürzte auf Tápanas Haus zu, riß die Tür auf und fiel fast, vom eigenen Schwung mitgerissen, in den großen, halbdunklen Raum. Dumpfer Trommelwirbel schlug ihm entgegen, der Gesang war wie eine Wand, die er erst einmal durchbrechen mußte.
Und dann sah er es: Nicht Tama'Olu stand in der Mitte des großen Menschenkreises, sondern Tápana lag langgestreckt auf einer bemalten Matte, mit bloßem Oberkörper, die Augen geschlossen. Der Medizinmann rieb den Leib des Stammesfürsten mit einem öligen und stinkenden Brei ein.
Niemand blickte auf, als Ron den halbdunklen Raum betrat, niemand schien ihn überhaupt wahrzunehmen. Wie hypnotisiert wiegten sich alle im Rhythmus der Baumtrommeln, die meisten mit geschlossenen Augen.
Nur Tama'Olu starrte mit großen dunklen Augen auf Ron, als sähe sie einen Geist. Sie legte die Hände flach auf ihre Brust und neigte den Kopf. Ihr langes schwarzes Haar fiel über ihr Gesicht und verdeckte es.
Willkommen, Ovaku. Du bist wirklich zurückgekehrt. Wir alle haben nicht daran geglaubt, auch ich nicht. Ja, ich weine, weine vor Glück und weine vor Kummer und Angst. Der Tod wartet mitten unter uns …
Ron bahnte sich einen Weg durch den Menschenkreis. Da sie eng nebeneinandersaßen und in ihrem Trancezustand nicht Platz machten, stieg er einfach über die Eingeborenen hinweg, ging zu dem regungslos daliegenden Tápana und kniete sich neben ihn.
Der Medizinmann unterbrach die Einreibung mit dem stinkenden Brei und starrte Ron böse an. Sein Kopfputz aus bunten Vogelfedern war verrutscht, Schweiß lief über sein zerfurchtes, asketisches Gesicht.
»Ovaku«, stammelte Tama'Olu mit einer ganz fremden, kindlichen Stimme. »Endlich bist du wieder da. Sieh nur, unser Vater stirbt.«
»Mein Engel, ich bin so glücklich, daß du auf mich gewartet hast! Als ich die Trommeln hörte und den Gesang … es war fürchterlich, woran was ich da gedacht habe!«
»Er stirbt …«, schluchzte Tama. Sie schien Rons Worte gar nicht gehört zu haben.
Ron schüttelte den Kopf und beugte sich über Tápana. Er legte die Hand auf die Stirn des Kranken – und erschrak. Das Fieber war hoch, Tápanas Stirn fühlte sich an, als lodere dahinter ein Feuer. Ron schob die Lider hoch und sah, daß Tápanas Augen in Fieber glänzten. Aber sie waren noch nicht nach oben gedreht.
Der Medizinmann stieß einen zornigen Laut aus und setzte die Einreibung des Leibes fort.
Ron hielt seine Hand fest, und wieder stieß der Medizinmann einen wütenden Schrei aus. Er versuchte Rons Hand abzuschütteln – vergebens. Erst als der Medizinmann drei Schritte zurückwich, ließ Ron ihn los. Vorsichtig tastete er dann den Bauch des Stammesfürsten ab. Der Leib war leicht aufgetrieben, aber steinhart. Als Ron vorsichtig drückte, verzog sich schmerzhaft das Gesicht des Kranken. Der Schmerz war so groß, daß er den Mund aufriß und laut aufstöhnte.
Das muß der Blinddarm sein, dachte Ron erschrocken. Ein durchgebrochener Blinddarm! Daher der harte, aufgetriebene Leib. Tápana muß sofort operiert werden! Sofort …
Operieren? Wo und durch wen? Plötzlich erkannte Ron mit schmerzhafter Deutlichkeit, daß es Paradiese nur für Gesunde gibt. Eine Lungenentzündung, ein Gallenstein, ein Herzinfarkt oder eben ein Blinddarm … das war im Paradies ein Todesurteil. Sobald der Körper sich nicht mehr selbst helfen konnte, war der Mensch verloren. Da halfen auch nicht die Salben
Weitere Kostenlose Bücher