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Die Bücher und das Paradies

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Titel: Die Bücher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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nicht andere Zwänge errichtet. Er tut es, nur
    ist nicht gesagt, daß wir es bemerken sollen.
    Es kann ein Zwang sein, als Schema für die Abfolge der
    Ereignisse das der sieben Posaunen der Apokalypse zu
    nehmen. Aber auch, die Geschichte auf ein bestimmtes
    Datum zu legen, denn manches kann man da geschehen
    lassen und anderes nicht. Es kann ein Zwang sein zu
    beschließen, daß im Foucaultschen Pendel , um den
    magischen Leidenschaften der Personen entgegen-
    zukommen, die Zahl der Kapitel 120 sein muß, keins mehr
    und keins weniger, und die der Hauptteile zehn, wie die
    zehn Sefiroth der Kabbala.
    Die Zwänge bestimmen auch mehr und mehr eine
    Zeitstruktur. Im Namen der Rose konnte, wenn man sich an die Abfolge in der Apokalypse halten mußte, die Zeit
    des Plots (abzüglich langer Einschübe) mit der Zeit der
    Fabel zusammenfallen: Die Geschichte beginnt mit der
    Ankunft von William und Adson in der Abtei und endet
    mit ihrer Abreise. Leicht (auch zu lesen).
    Beim Foucaultschen Pendel zwang mich gerade die
    Schwingbewegung des titelgebenden Apparats zu einer
    anderen Zeitstruktur. Casaubon kommt eines Abends ins
    Conservatoire, versteckt sich dort und ruft sich die
    vergangenen Geschehnisse in Erinnerung, dann kehrt die
    Geschichte zum Anfang zurück und so weiter. Hatte ich
    mir für den Namen der Rose eine Art Stundenplan oder
    Kalender angelegt, um Tag für Tag festzulegen, was alles
    im Laufe einer Woche geschehen sollte, so war es beim
    Foucaultschen Pendel eine Art Höhenmesser, der die
    Rückgriffe in die Vergangenheit und die Vorgriffe in die
    Zukunft registrierte. Wie ein graduierter Meßstab oder
    rechtwinklige Koordinatenachsen. Der Protagonist
    befindet sich jetzt hier, aber er ruft sich in Erinnerung, was in einem bestimmten Moment der Vergangenheit geschah.
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    Das Schöne an solchen Schemata ist, daß sie zwar ehern
    aussehen, wenn man jedes für sich betrachtet, aber ich
    habe Schubladen voller Schemata, die ich im gleichen
    Maße, wie der Roman vorankam, immer neu gezeichnet
    hatte. Mit anderen Worten, das Schöne an der Sache ist:
    Einerseits muß man sich Zwänge schaffen, andererseits
    muß man sich frei fühlen, sie im Laufe der Arbeit zu
    ändern. Allerdings muß man dann alles ändern und wieder von vorn beginnen.
    Einer der Zwänge im Foucaultschen Pendel war, daß die
    Protagonisten das Jahr 1968 erlebt haben sollten, aber da
    Belbo dann seine files am Computer schreibt (der in der ganzen Geschichte auch eine formale Rolle spielt, indem
    er ihre aleatorische und kombinatorische Natur inspiriert),
    durften die letzten Ereignisse erst zwischen 1983 und 1984
    stattfinden, nicht vorher. Der Grund ist sehr einfach: Die
    ersten Personalcomputer mit Schreibprogramm sind in
    Italien 1983 (frühestens 1982) auf den Markt gekommen.
    Und dies ist auch die Antwort an alle, die immer wieder
    behaupten, der Name der Rose sei am Computer
    geschrieben worden und damit erkläre sich sein Erfolg.
    1978 – 79 kamen in Amerika gerade die ersten Home-
    computerchen auf den Markt, die sich Tandy nannten und
    mit denen man kaum mehr als einen Brief zu schreiben
    gewagt hätte.
    Um nun jedoch die lange Zeit von 1968 bis 1983 mit
    irgend etwas zu füllen, war ich gezwungen, Casaubon
    anderswohin zu schicken. Wohin? Meine Erinnerungen an
    magische Riten, denen ich einmal in den siebziger Jahren
    am Rande von Sao Paulo beigewohnt hatte12, führten mich

    12 Vgl. meinen Essay »Mit wem halten es die Orixà?« in Über Gott und die Welt , Hanser 1985, S. 116 – 125.
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    nach Brasilien (da wußte ich, wovon ich sprach und
    welche Form jene Welt hatte). Das war der Grund und
    glückliche Ursprung jener Abschweifung, die vielen als zu
    lang erschien, die aber für mich (und einige wohlwollende
    Leser) von grundlegender Bedeutung war, denn sie
    erlaubte mir, in Brasilien und mit Amparo in gedrängter
    Form das geschehen zu lassen, was mit den anderen
    Personen im Laufe des Romans geschehen sollte. Hätten
    IBM, Apple oder Olivetti ihre Wordprocessor sechs oder
    sieben Jahre früher auf den Markt gebracht, wäre mein
    Roman anders geworden. Brasilien wäre nicht darin
    vorgekommen, was viele oberflächliche Leser erleichtert
    hätte, aus meiner Sicht aber ein großer Mangel gewesen
    wäre.
    Die Konstruktion der Insel des vorigen Tages beruhte
    auf einer Reihe von historischen Zwängen und ehernen
    Gesetzen der Romanform. Die historischen Zwänge
    ergaben sich daraus, daß Roberto als junger Mann an

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