Die Bücher und das Paradies
längst
auswendig konnte; und wenn es in jener Szene so etwas
wie ein Glücksgefühl gibt, dann liegt das daran, daß sie
entstanden ist wie eine Jam Session: Man spielt und läßt
sich gehen, man nimmt auf, und was da ist, ist da.
Tatsächlich ist das Schöne am Computer, daß er die
Spontaneität ermutigt: Man schreibt rasch und in einem
Zug herunter, was einem durch den Kopf geht. Hinterher
kann man ja immer noch korrigieren und variieren.
Der Gebrauch des Computers betrifft tatsächlich vor
allem das Problem der Korrekturen und folglich der
Varianten.
Der Name der Rose war in seinen Endfassungen mit der
Schreibmaschine geschrieben. Danach korrigierte ich,
tippte neu, überklebte Passagen, gab das Ganze zum
Abtippen und fing von neuem an zu korrigieren, zu
ersetzen und zu überkleben. Aber mit der Schreibmaschine
kann man das Korrigieren nur bis zu einem bestimmten
Punkt treiben, dann wird man das Kleben und
Neuabtippen leid und gibt den Text zum Satz. Den Rest
kann man immer noch in den Fahnen korrigieren.
Mit dem Gebrauch des Computers (das Foucaultsche
Pendel habe ich mit Wordstar 2000 geschrieben, die Insel des vorigen Tages mit Word
5 und Baudolino mit
Winword in den diversen releases der letzten Jahre)
ändern sich die Dinge. Man ist versucht, ad infinitum zu
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korrigieren. Man schreibt, druckt aus und liest sich. Und
korrigiert. Dann tippt man die korrigierten Stellen neu und
druckt sie wieder aus. Ich habe die verschiedenen
Fassungen (bis auf einige Lücken) aufbewahrt. Aber es
wäre ein Irrtum zu meinen, daß morgen ein Varianten-Fan
den ganzen Schreibprozeß rekonstruieren könnte. Denn in
der Praxis schreibt man (am Computer), druckt aus,
korrigiert (mit der Hand) und überträgt die Korrekturen in
den Computer, aber dabei wählt man schon wieder andere
Varianten, das heißt, man überträgt nicht genau die
Korrekturen, die man mit der Hand geschrieben hat. Der
penible Variantenphilologe fände noch Varianten
zwischen der letzten handschriftlichen Korrektur im
Papierausdruck und der neu ausgedruckten Fassung.
Wollte man zu wirklich unnützen Doktorarbeiten ermun-
tern, hier gäbe es ein weites Feld zu beackern. Denn mit
der Existenz des Computers ändert sich die innere Logik
der Varianten. Sie repräsentieren nicht länger mehr eine
Sinnesänderung noch die endgültige Entscheidung. Da der
Schreibende weiß, daß die Entscheidung jeden Moment
widerrufen werden kann, probiert er viele aus und kehrt
oft zum früheren Zustand zurück.
Ich glaube wirklich, daß die Existenz der elektronischen
Schreibwerkzeuge die Kritik der Varianten grundlegend
ändern wird, bei aller Hochachtung vor dem Geist unserer
großen Philologen. Vor Jahren habe ich mich einmal mit
den Varianten von Manzonis Inni sacri beschäftigt. Damals war die Ersetzung eines Wortes von einschneidender
Bedeutung. Heute nicht: Ich kann morgen auf das Wort
zurückgreifen, das ich gestern gestrichen habe. Was zählt,
ist höchstens der Unterschied zwischen der ersten
Manuskript- und der letzten Druckfassung. Der Rest ist
ein Hin und Her, das oft nur vom momentanen Blutdruck
bestimmt wird.
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Freude und Traurigkeit
Mehr will ich nicht sagen über die Art und Weise, wie ich
meine Romane schreibe. Außer daß es für mich notwendig
ist, viele Jahre daran zu arbeiten. Ich verstehe diejenigen
Autoren nicht, die jedes Jahr ein Buch schreiben (es
können sehr große Autoren sein, ich bewundere sie, aber
ich beneide sie nicht). Das Schöne am Schreiben eines
Romans ist nicht das Schöne einer Live-Sendung, sondern
das Schöne einer sorgfältig vor- und nachbereiteten
Aufzeichnung.
Ich bin immer mißmutig, wenn ich spüre, daß einer
meiner Romane dem Ende entgegengeht, das heißt, wenn
es nach seiner inneren Logik Zeit wird, daß er (daß sie,
daß es) endet und ich aufhöre. Wenn ich spüre, daß
weitermachen nur heißen würde, ihn zu verschlechtern.
Das Schöne, die wahre Freude ist, sechs, sieben, acht
Jahre lang (möglichst ewig) in einer Welt zu leben, die
man sich nach und nach erbaut, bis sie die eigene wird.
Die Traurigkeit beginnt, wenn der Roman zu Ende ist.
Allein deshalb würde man sich wünschen, sofort einen
nächsten zu beginnen. Aber wenn er nicht schon
bereitsteht und einen erwartet, hat es keinen Zweck, sich
zu beeilen.
Autor und Leser
Nun möchte ich allerdings nicht, daß diese letzten
Behauptungen prompt zu einer anderen ermuntern, die
allen
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