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Die Bücher und das Paradies

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Titel: Die Bücher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Widerspruch zur verbreiteten oder allgemein
    anerkannten Meinung, zum gesunden Menschenverstand und zur
    allgemeinen Erfahrung, zum System der Glaubensvorstellungen,
    auf die man sich bezieht, oder zu den Prinzipien und Kenntnissen, die als anerkannt gelten (oft hat das P. auch keinerlei
    Wahrheitswert und ist bloß ein Sophismus, geprägt aus Liebe zur Exzentrizität oder um dialektische Fähigkeiten zu bezeugen; aber es kann auch unter einer scheinbar unlogischen und verwirrenden Form einen objektiv gültigen Kern enthalten, der dazu bestimmt ist, sich gegen die Ignoranz und Leichtfertigkeit der unkritisch die Meinung der Mehrheit Befolgenden zu behaupten).
    Demnach wäre der Aphorismus eine Maxime, die als
    wahr anerkannt werden will, obwohl sie vor allem
    geistreich erscheinen möchte, während das Paradox als
    eine Maxime auftritt, die auf den ersten Blick falsch ist
    und erst nach einiger Überlegung erkennen läßt, daß sie
    ausdrücken soll, was der Autor für wahr hält. Aufgrund
    der Kluft zwischen den Erwartungen der gängigen
    Meinung und der provokatorischen Form, in der die
    Maxime auftritt, wirkt sie dann geistreich.
    Die Literaturgeschichte ist reich an Aphorismen und
    etwas weniger reich an Paradoxen. Aphorismen zu prägen
    ist relativ leicht (und zu den Aphorismen gehören auch

    2 Salvatore Battaglia, Grande dizionario della lingua italiana , Turin, UTET, 1984, Bd. XII, s. v. »Paradosso« (A. d. Ü.).
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    Sprichwörter wie »La mamma è sempre la mamma« oder
    »Ein Hund, der bellt, beißt nicht«), Paradoxe dagegen sind
    eher schwierig.
    Vor Jahren habe ich mich einmal mit einem Meister des
    Aphorismus wie Pitigrilli beschäftigt3, hier einige seiner
    brillantesten Maximen. Manche davon wollen, wenn auch
    mit Witz, eine Wahrheit bekräftigen, die sich keineswegs
    gegen die gängige Meinung stellt:
    Gastronom: ein Koch, der das Gymnasium besucht hat.
    Grammatik: ein kompliziertes Instrument, das Sprachen lehrt,
    aber am Sprechen hindert.
    Fragmente: eine Himmelsgabe für Schriftsteller, die keine
    ganzen Bücher zustande bringen.
    Dipsomanie: ein medizinischer Fachausdruck, der so schön ist,
    daß er einem Lust macht zu trinken.
    Andere formulieren weniger eine angebliche Wahrheit
    als eine ethische Entscheidung oder Handlungsmaxime:
    Ich verstehe den Kuß für einen Leprakranken, aber nicht den
    Händedruck mit einem Kretin.
    Sei nachsichtig mit denen, die dir ein Unrecht getan haben, denn du weißt nicht, was die anderen für dich bereithalten.
    Doch gerade in jenem Band mit dem schönen Titel
    Dizionario antiballistico (Mailand, Sonzogno, 1962), in dem er Maximen, Sprüche und Aphorismen von sich und
    anderen versammelt, warnt Pitigrilli, der stets und um
    jeden Preis zynisch sein wollte, auch auf die Gefahr hin,
    treuherzig seine Bosheiten zu gestehen, wie tückisch das
    Spiel des Aphorismus sein kann:

    3 »Pitigrilli: l’uomo che fece arrossire la mamma«, in Il superuomo di massa , 2. ed., Milano, Bompiani, 1978. [Pitigrilli, eigentlich Dino Segre, 1893
    –
    1975, italienischer Journalist und Autor
    vielgelesener drastisch-satirisch-erotischer Gesellschaftsromane, A. d. Ü.]
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    Da wir schon einmal bei Vertraulichkeiten sind, gestehe ich, daß ich das Rowdytum des Lesers gefördert habe. Ich meine folgendes: Wenn auf der Straße ein Streit ausbricht oder ein Verkehrsunfall passiert, taucht häufig plötzlich wie aus den Eingeweiden der Erde ein Individuum auf und versucht, einem der beiden Streithähne, gewöhnlich dem Automobilisten, seinen Regenschirm über den
    Schädel zu hauen. Der unbekannte Rowdy läßt seine latente Wut
    heraus. Ähnliches kommt auch in Büchern vor: Wenn ein Leser,
    der keine Ideen hat oder nur solche in formlosem Zustand, auf
    einen pittoresken, phosphoreszierenden oder explosiven Satz stößt, verliebt er sich in ihn, adoptiert ihn, versieht ihn mit einem Ausrufungszeichen am Rande, mit einem »gut!« oder »richtig!«,
    als hätte er schon immer so gedacht, als wäre dieser Satz die
    Quintessenz seines Denkens und Philosophierens. Er »bezieht
    Position«, wie der Duce sagte. Ich biete ihm die Möglichkeit,
    Position zu beziehen, ohne daß er in den Dschungel der
    verschiedenen Literaturen eintauchen muß.
    So verstanden, drückt der Aphorismus auf brillante
    Weise einen Gemeinplatz aus. Vom Harmonium zu sagen,
    es sei »ein Pianoforte, das sich angeekelt vom Leben in
    die Religion geflüchtet hat«, ist nichts als eine effektvolle
    Formulierung dessen,

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