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Die Bücher und das Paradies

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Titel: Die Bücher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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meisten zu
    schaffen macht. Warum wird eine so essentielle
    Information erst am Ende gegeben, während wir sie, wie
    eine ziemlich naive Fußnote der Edition Pléiade meint,
    doch am Anfang erwartet hätten? Nerval vollführt hier
    eine Operation, die Gérard Genette nachholende
    Rückblende nennt: Der Erzähler tut so, als ob er etwas vergessen hätte, und trägt es mit beträchtlicher Verspätung
    nach.11 Es ist nicht die einzige in der Erzählung, die

    11 Die nachholende Rückblende ist nicht immer kalkulierte Technik, sondern manchmal auch bloßes Füllsel, wie bei vielen Autoren
    von Fortsetzungsromanen im 19. Jahrhundert, die den Umfang
    ihres Romans übermäßig aufgebläht haben und sich plötzlich
    gezwungen sehen, Vergessenes nachzutragen oder Unverständ-
    liches mit einer nachgeholten Erklärung zu rechtfertigen. Vgl.
    hierzu meine Studie »Eugene Sue, Sozialismus und Trost«, dt. in Apokalyptiker und Integrierte , übers. von Max Looser,
    Frankfurt/M., S. Fischer, 1984, S. 256 – 259.
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    andere ist die beiläufige Erwähnung des Namens der
    Schauspielerin, den man erst im elften Kapitel erfahrt;
    aber die erscheint motivierter, denn erst in diesem
    Moment, als er das Idyll mit Sylvie entschwinden sieht,
    beginnt Jerard an die Schauspielerin als eine Frau zu
    denken, der er sich vielleicht nähern könnte. Dagegen
    klingt das nachgetragene Todesdatum mindestens skanda-
    lös, zumal ihm ein Verzögerungsversuch vorausgeht, der
    auf den ersten Blick schwer zu rechtfertigen ist.
    Denn im elften Kapitel finden wir eine der ambi-
    valentesten Ausdrucksweisen der ganzen Erzählung: cela
    a mal tourné , »das hat ein trübes Ende genommen«. Für
    den, der die Erzählung zum wiederholten Mal liest, nimmt
    diese Anspielung Sylvies ein wenig die Enthüllung am
    Ende vorweg, aber für den, der sie zum ersten Mal liest,
    klingt sie wie eine Retardierung. Sylvie sagt hier noch
    nicht, daß es mit Adrienne ein übles Ende genommen hat,
    sondern nur, daß ihre Geschichte übel ausgegangen ist.
    Darum bin ich weder einverstanden mit Übersetzungen
    wie »mit ihr ist es übel ausgegangen« noch mit solchen,
    die sich vorsichtiger mit einem »es ist schlecht
    ausgegangen« begnügen und somit, da sie das doch so
    eindeutige cela nicht zu interpretieren wagen, die
    Möglichkeit offenlassen, daß Adrienne das Subjekt sein
    könnte. Tatsächlich sagt Sylvie soviel wie: »die
    Geschichte ist übel ausgegangen«. Warum muß man diese
    Ambivalenz respektieren (die so weit geht, daß jemand
    gemeint hat, aufgrund dieser Bemerkung sei Jerard noch
    überzeugter, daß Adrienne die Schauspielerin geworden
    sei)? Weil sie die Verzögerung bestärkt und rechtfertigt,
    mit der Sylvie erst in der letzten Zeile des Textes
    endgültig alle Illusionen Jerards zerstört.
    Es ist nicht Zurückhaltung, was Sylvie so handeln läßt.
    Für wen wäre die Information essentiell? Für Jerard, dem
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    die Erinnerung an Adrienne und die Möglichkeit, sie mit
    Aurélie zu identifizieren, zu einer Obsession geworden ist.
    Aber für Sylvie, der Jerard seine Obsessionen noch nicht
    enthüllt hat (wie er es Aurélie gegenüber tun wird), außer
    durch vage Anspielungen? Für die bodenständige Sylvie
    ist Adrienne viel weniger als ein Phantom (sie ist bloß eine
    der vielen Pariser Damen, die durch jene Gegend
    gekommen sind). Sylvie weiß nicht, daß Jerard versucht
    war, die Klosterfrau mit der Schauspielerin zu identi-
    fizieren, sie weiß nicht einmal genau, ob diese Schau-
    spielerin existiert und wer sie ist. In diesem meta-
    morphosenreichen Universum, in dem ein Bild ins andere
    übergeht und alle einander überlagern, ist sie eine Fremde.
    Daher kann man nicht sagen, daß sie die finale Enthüllung
    tröpfchenweise preisgibt. Das tut Nerval, nicht sie.
    Sylvie redet nicht aus Bosheit so unbestimmt, sondern
    aus Zerstreutheit , weil sie die Sache belanglos findet. Sie trägt gerade deswegen dazu bei, den Traum Jerards zu
    zerstören, weil sie nichts davon weiß . Sie hat ein
    unbeschwertes Verhältnis zur Zeit, mit ein paar
    befriedigten Sehnsüchten oder zarten Erinnerungen, die
    ihre friedliche Gegenwart nicht in Frage stellen. Deshalb
    ist sie von allen drei Frauen diejenige, die am Ende die
    unerreichbarste bleibt. Mit Adrienne hat Jerard immerhin
    einen magischen Augenblick erlebt, und mit Aurélie hat
    er, soviel man verstehen kann, ein intimes Verhältnis
    gehabt, aber mit Sylvie nichts außer einem sehr keuschen
    Kuß – und in

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