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Die Bücher und das Paradies

Die Bücher und das Paradies

Titel: Die Bücher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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beschaffen
    ist und warum er so funktioniert, wie er funktioniert.
    Dabei kann sich diese Kritik eine Bestätigung vornehmen
    (»jetzt werde ich zeigen, warum alle diesen Text für
    großartig halten«), eine Neubewertung oder auch die
    Zerstörung eines Mythos. Die Arten, in denen man zeigen
    kann, wie ein Text gebaut und beschaffen ist (und warum
    es gut ist, daß er so ist, und warum er gar nicht anders sein
    könnte und warum er gerade, weil er so und nicht anders
    ist, als hervorragend angesehen werden muß), können
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    zahllos sein. Wie immer sie sich jedoch artikulieren, diese
    Kritik kann nur eine semiotische Textanalyse sein.
    Daher kann man sagen, wenn wahre Kritik betreiben
    heißt, verstehen und verständlich machen, wie ein Text
    gebaut und beschaffen ist, und wenn die Rezension und
    die Literaturgeschichte das nicht im vollen Umfang leisten
    können, dann ist die einzige wahre Form der Kritik eine
    semiotische Lektüre des Textes.
    Eine semiotische Lektüre des Textes hat von der wahren
    Kritik (die wie gesagt dazu führen muß, den Text in allen
    seinen Aspekten und Möglichkeiten zu verstehen), jene
    Qualität, die der Rezension und der Literaturgeschichte
    gewöhnlich notgedrungen fehlt: daß sie nicht be- oder verschreibt , in welcher Weise der Text Vergnügen
    bereitet, sondern darlegt, warum er Vergnügen bereiten
    kann.
    Die rezensierende Kritik kann sich aufgrund ihrer
    Beratungsfunktion nicht davor drücken – außer in Fällen
    von exzeptioneller Feigheit
    –, ein Urteil über das
    abzugeben, was der Text aussagt. Die literarhistorische
    Kritik kann bestenfalls darlegen, daß ein Werk
    unterschiedliche und wechselnde Rezeptionen erfahren
    und verschiedene Reaktionen hervorgerufen hat. Die
    Textkritik, die immer semiotisch ist, auch wenn sie es
    nicht weiß oder es abstreitet, erfüllt dagegen jene
    Funktion, die Hume in seinem Essay »Of the Standard of
    Taste« aufs trefflichste beschrieben hat, indem er eine
    Stelle aus Don Quijote zitiert, wo Sancho Pansa erzählt: Zwei meiner Verwandten wurden einmal gebeten, ihre Meinung
    über einen Faßwein zu äußern, der als hervorragend galt, weil er alt war und von einer guten Traube stammte. Einer von ihnen
    kostete, besann sich und urteilte nach reiflicher Überlegung, daß es guter Wein sei, gäbe es nicht jenen leichten Ledergeschmack, den er darin wahrnehme. Der andere, nachdem er die gleichen Maß-
    nahmen getroffen, äußerte sich ebenfalls positiv über den Wein, 212
    aber mit dem Vorbehalt, es gebe da einen Geschmack nach Eisen, der deutlich zu spüren sei. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie sehr die beiden für ihr Urteil verspottet wurden. Aber wer hat zuletzt gelacht? Als man das Faß leerte, fand man auf dem Grund einen
    alten Schlüssel, an dem ein ledernes Riemchen hing.
    Da haben wir es, die wahre Kritik ist die, die zuletzt
    lacht, denn sie läßt jedem sein Vergnügen, aber sie zeigt
    bei allen, woher es kommt.
    Natürlich kennt auch eine Textkritik, die von einem
    philosophus additus artifici betrieben wird, ihre Exzesse, die sie an der Erfüllung ihrer Aufgabe hindern. Es wird
    daher nützlich sein, einige Fehler der Textsermotik ins
    Auge zu fassen, die häufig dazu geführt haben, daß es zu
    den oben erwähnten Ablehnungssyndromen kam.
    Man verwechselt oft zwischen semiotischer Literatur-
    theorie und semiotisch orientierter Kritik . Ich verweise hierzu auf eine alte Debatte der sechziger Jahre, die,
    ausgelöst durch einen Katalog des Verlags Il Saggiatore
    zum Thema »Strukturalismus und Kritik«, im wesent-
    lichen zwei Optionen gegenüberstellte, eine vertreten von
    Cesare Segre, die andere von Luigi Rosiello. Um es kurz
    zu sagen, für die erste Option sollte die linguistische
    Theorie dazu dienen, das einzelne Werk besser zu
    verstehen, für die zweite sollte die Analyse des einzelnen
    Werkes dazu dienen, das Wesen der Sprache besser zu
    erkennen. Mit anderen Worten, für die erste Option sollte
    ein Ensemble von theoretischen Annahmen dazu dienen,
    den persönlichen Stil eines Autors besser zu erkennen, für
    die zweite war der persönliche Stil eine Abweichung von
    der Norm, die das Wissen um diese Norm als solche
    bereicherte.
    Nun waren und sind diese beiden Optionen gleicher-
    maßen legitim. Man kann eine Theorie der Literatur
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    aufstellen und die einzelnen Werke als Dokumente
    benutzen, und man kann die einzelnen Werke im Licht
    einer Theorie der Literatur lesen oder genauer, indem man
    versucht, die

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