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Die Buecher und das Paradies

Titel: Die Buecher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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was ihrer Meinung nach Christoph Kolumbus beweisen wollte, als er auszog, »den Osten über den Westen zu erreichen«, wie er sagte, und warum die Gelehrten von Salamanca ihn so hartnäckig daran hindern wollten. In den meisten Fällen wird die Antwort sein, daß Kolumbus die Erde für rund hielt, während die Gelehrten von Salamanca glaubten, sie sei eine Scheibe und nach kurzer Fahrt würden die drei Karavellen in den kosmischen Abgrund stürzen.
    Das laizistische Denken der Aufklärung hat, erbost über die Weigerung der Kirche, die heliozentrische Hypothese zu akzeptieren, dem ganzen christlichen Denken des Mittelalters (dem patristischen wie dem scholastischen) die Vorstellung von der Erde als flacher Scheibe zugeschrieben. Das positivistische und antiklerikale 19. Jahrhundert hat sich dieses Klischee zu eigen gemacht, das, wie Jeffrey Burton Russell 5 gezeigt hat, durch den Kampf der Verfechter der Darwinschen Hypothese gegen jede Form von Fundamentalismus noch bestärkt worden ist. Ging es ihnen doch darum zu beweisen, daß die Kirchen, so wie sie sich über die Kugelgestalt der Erde getäuscht hatten, sich auch über den Ursprung der menschlichen Gattung täuschen konnten.
    Man machte sich daher den Umstand zunutze, daß ein christlicher Autor des 4. Jahrhunderts wie Lactantius (in seinen Institutiones divinae) zur Rechtfertigung der zahlreichen Bibelstellen, in denen das Universum in Form eines Tabernakels beschrieben wird, also als ein rechteckiges Gebilde, sich gegen die heidnischen Theorien von der kugelförmigen Erde stellte, auch weil er die Vorstellung nicht akzeptieren konnte, daß es Antipoden gebe, wo die Menschen kopfunten gehen müßten ...
    Im übrigen war entdeckt worden, daß ein byzantinischer Geograph des 4. Jahrhunderts namens Kosmas Indiko-pleustes in seiner Topographia Christiana die Ansicht vertreten hatte, das Universum sei ein rechteckiges Gebilde mit einem Bogen, der sich über dem flachen Erdboden wölbte (also wieder der Archetyp des Tabernakels). In der maßgeblichen History of Planetry Systems from Thaies to Kepler von J. L. E. Dreyer 6 wird zwar eingeräumt, daß Kosmas kein offizieller Vertreter der Kirche war, aber seiner Theorie wird breiter Raum gegeben. Auch E. J. Dijksterhuis versichert in seinem Buch Die Mechanisierung des Weltbildes 7 daß man zwar
    Lactantius und Kosmas nicht als typisch für die naturwissenschaftliche Bildung der Kirchenväter betrachten könne, daß aber Kosmas’ Theorie jahrhundertelang die vorherrschende Meinung gewesen sei.
    Tatsache ist, daß Lactantius von der christlichen Kultur der Antike und des Mittelalters kaum zur Kenntnis genommen wurde und daß der Text des Kosmas, der auf griechisch verfaßt war, also in einer Sprache, die das Mittelalter vergessen hatte, der westlichen Welt erst 1706 durch die Collectio nova patrum et scriptorum graecorum von Montfaucon bekannt wurde. Kein mittelalterlicher Autor hat ihn gekannt, und als eine Autorität der »Dark Ages« wurde er erst nach seiner englischen Publikation im Jahre 1897 (!) betrachtet.
    Daß die Erde rund ist, wußte natürlich schon Ptolemäus, sonst hätte er sie nicht in dreihundertsechzig Meridiane einteilen können, desgleichen wußte es Erathostenes, der im dritten Jahrhundert vor Christus die Länge des Äquators annähernd richtig berechnet hatte, desgleichen wußten es Pythagoras, Parmenides, Eudoxos, Platon, Aristoteles, Euklid, Aristarch, Archimedes - und wie man entdeckt, waren die einzigen, die nicht daran glaubten, ausgerechnet zwei Materialisten wie Leukipp und Demokrit.
    Daß die Erde rund ist, wußten die Kartographen Macrobius und Martianus Capella. Was die Kirchenväter angeht, so hatten sie sich mit dem Bibeltext auseinanderzusetzen, der von dieser vermaledeiten Tabernakelform spricht, aber Augustinus, der zwar keine gesicherte Meinung zu diesem Thema hatte, aber die der Alten kannte, räumte ein, daß die Heilige Schrift in Metaphern sprach. Seine Position war eher eine andere, die er mit den meisten Kirchenvätern teilte: Da das Wissen um die Form der Erde nichts zur Rettung der Seele beiträgt, war es für ihn von geringem Interesse. Isidor von Sevilla (der gleichfalls kein Muster an wissenschaftlicher Akribie war) hat einmal die Länge des Äquators mit achtzigtausend Stadien berechnet. Konnte er dabei tatsächlich gedacht haben, daß die Erde eine flache Scheibe sei?
    Auch ein Schüler der ersten Gymnasialklasse kann leicht folgern, daß Dante, wenn er in den

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