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Die Buecher und das Paradies

Titel: Die Buecher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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plötzlich und definitiv. Tatsächlich (wenn wir von der undeutlich traumhaften Episode in Kapitel 7 absehen) ist es das letzte Mal, daß Jerard sie sieht - oder jedenfalls Gelegenheit hat, sich ihr zu nähern.
    Im übrigen wird der Leser vom ersten Kapitel an richtig eingestimmt, die ersten fünf Absätze enthalten bei insgesamt 60 Verbformen 53 Imperfekte. In diesen fünf Absätzen geschieht alles, was beschrieben wird, seit langer Zeit jeden Abend. Dann, im sechsten Absatz, heißt es: »Un de ceux-la me dit« (»Einer von denen sagte zu mir«), und hier steht das Verb im Passe simple, denn dies ist etwas Neues - nämlich die Frage, wegen welcher Schauspielerin Jerard jeden Abend ins Theater gehe. Und er antwortet ebenfalls mit einem Passe simple: »J’avouai un nom« (»Ich gestand einen Namen«). Die nebelhaft zerstäubte Zeit verdichtet sich zu einem Punkt, und an diesem Punkt beginnt die Geschichte, oder anders gesagt, dieser Punkt markiert die Zeit t1, mit der Jerard (der sich in t N daran erinnert) die Geschichte seiner Reise beginnen läßt.
    Wie sehr das Imperfekt die Zeit nebelhaft zerstäuben kann, sieht man im Kapitel über Châalis. Wer hier zweimal im Indikativ Präsens eingreift (einmal, um die
    Abtei zu beschreiben, und einmal, um uns zu sagen, daß der Erzähler sich bei der Rückbesinnung auf diese Einzelheiten fragt, ob er das alles wirklich erlebt oder nur geträumt hat), ist Nerval - oder Jerard in t N . Alles andere geschieht im Imperfekt, außer dort, wo es die Syntax nicht zuläßt. Die Analyse der Tempora in diesem Kapitel würde zuviel grammatikalische Tüftelei erfordern. Es genügt aber, das Kapitel mehrmals zu lesen und auf die Musik dieser Tempusformen zu horchen, um zu verstehen, warum nicht nur der Leser, sondern auch Nerval selbst nicht sicher ist, ob es sich um einen Traum oder eine Erinnerung handelt.
    Der Gebrauch des Imperfekts in Sylvie führt uns zurück zu der Unterscheidung zwischen Fabel, Handlungsgang und Diskurs. Die Wahl eines Tempus vollzieht sich auf der Ebene des Diskurses, aber eine dort hergestellte Unbestimmtheit beeinträchtigt unsere Möglichkeit, durch den Gang der Handlung die Fabel zu rekonstruieren. Daher gelingt es den Interpreten nicht, sich auf eine Abfolge der Ereignisse zu einigen, jedenfalls was die ersten sieben Kapitel betrifft. Um uns im Wald der Tempora zurechtzufinden, nennen wir ersten Tanz den mit Adrienne auf der Wiese vor dem Schloß (vielleicht von Orry), zweiten Tanz den des Festes mit dem auffliegenden Schwan (erste Fahrt nach Loisy) und dritten Tanz den, zu welchem Jerard erst am frühen Morgen gelangt, nach der Fahrt in der Postkutsche.
    Wann hat nun die Episode der Nacht in Chäalis stattgefunden? Vor oder nach dem ersten Besuch in Loisy? Beachten wir, daß es sich, auch hier wieder, nicht um eine klar entscheidbare Frage handelt. Und die unbewußte Antwort, die der Leser darauf gibt, ist das, was am meisten dazu beiträgt, den Nebeleffekt zu erzeugen.
    Jemand hat sogar die Hypothese gewagt - was zeigt, wie stark dieser Nebeleffekt ist -, daß die Chaalis-Episode vor der Szene des Tanzes auf der Wiese stattgefunden habe (da es in Kapitel 2 am Ende des fünften Absatzes von Adrienne heißt: »wir sollten sie nicht wiedersehen«). Aber das kann nicht sein, und zwar aus drei Gründen: erstens, weil Jerard Adrienne in Chaalis wiedererkennt, während er sie beim Tanz auf der Wiese zum ersten Mal sieht (was im dritten Kapitel noch einmal bekräftigt wird); zweitens, weil Adrienne in jener Nacht bereits »verklärt« ist durch ihre Berufung zum Leben als Nonne, während man im zweiten Kapitel erfahren hatte, daß sie erst nach dem Tanz auf der Wiese für den geistlichen Stand bestimmt worden war; drittens wird die Begegnung mit Adrienne - also der Tanz auf der Wiese - am Anfang des vierten Kapitels als ferne Kindheitserinnerung erwähnt, und wie sollten dann wohl Jerard und Sylvies Bruder in noch früherer Kindheit nachts auf einem kleinen Wagen durch den Wald gefahren sein, um sich eine sakrale Aufführung anzusehen?
    Hat also die Chaalis-Episode zwischen dem ersten Tanz auf der Wiese und dem zweiten in Loisy stattgefunden? Dann müßte Jerard in der Zeit zwischen diesen beiden Ereignissen nochmals nach Loisy gefahren sein. Und warum heißt es dann im vierten Kapitel, daß Sylvie, als er nach Loisy kommt, ihm »noch schmollte«, als ob sie noch immer darunter litte, wie er sie damals auf der Wiese vor Adrienne gedemütigt hatte? Allerdings

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