Die Buecher und das Paradies
zurück nach Loisy); der dunkelste Kreis umgrenzt Jerards und Sylvies Wanderung nach Chaalis in Kapitel 10 und 11 (von Loisy durch den Wald von Ermenonville nach Chaalis, dann zurück nach Loisy über Charlepont). Die Wanderung nach Othys ist eine einfache Hin- und Rückreise ins 18. Jahrhundert.
Der größte Kreis schließlich, der die ganze Gegend umfaßt, entspricht den Streifzügen mit Aurelie in Kapitel 13. Jerard bemüht sich verzweifelt, alles wiederzufinden, und verliert dabei den zentralen Punkt seiner ersten Streifzüge. Er wird ihn nicht wiederfinden. Am Ende, als Sylvie in Dammartin wohnt, gehen die Fahrten, von denen im letzten Kapitel die Rede ist, immer nur bis an die Ränder dieses Kreises. Jerard, Sylvie, alle sind nun ausgeschlossen aus dem magischen Kreis des Anfangs, den Jerard nur von weitem aus einem Fenster des Gasthofs sieht.
In jedem Fall springt in die Augen (wie es schon an die Ohren drang, wenn auch nur in Gestalt von in der Ferne widerhallenden Echos), daß Jerard sich auf jeder Reise ständig im Kreis bewegt (aber nicht wie im perfekten Kreis des ersten Tanzes mit Adrienne, sondern eher wie ein verwirrter Nachtfalter in einer Lampe) und nie wiederfindet, was er das letzte Mal zurückgelassen hatte. So daß man Georges Poulet zustimmen kann, der in dieser kreisförmigen Struktur eine Metapher der Zeit gesehen hat: Es ist nicht so sehr Jerard, der sich kreisförmig durch den Raum bewegt, sondern die Zeit, es ist seine Vergangenheit, die im Kreis um ihn tanzt.
Das Imperfekt
Kommen wir zum ersten Satz der Erzählung zurück: Je sortait d’un théâtre. Wir haben uns lange mit diesem Je und diesem théâtre beschäftigt, jetzt müssen wir uns dem sortait zuwenden. Das Verb steht im Imperfekt.
Das französische Imparfait ist ein duratives und häufig auch iteratives Tempus. Es drückt stets eine Handlung aus, die noch nicht vollständig beendet ist, und es genügt ein kleines Stück Kontext, um festzustellen, ob die Handlung auch iterativ ist, das heißt mehrmals vollzogen wird. Tatsächlich verließ Jerard jenes Theater Abend für Abend, und das seit einem Jahr. 8
Man verzeihe die scheinbare Tautologie, aber das Imperfekt heißt so, weil es tatsächlich unvollendet ist: Es versetzt uns in eine Zeit vor der Gegenwart, in der wir sprechen, aber es sagt nicht genau, wann diese Zeit ist und wie lange sie dauert. Daher rührt sein Zauber. So erklärt Proust (während er über Flaubert spricht): »Ich gestehe, daß ein bestimmter Gebrauch des imparfait de l’indicatif -dieser grausamen Tempusform, die uns das Leben als etwas Vergängliches und zugleich Passives vorführt, die im selben Moment, in dem sie unsere Handlungen ins Gedächtnis ruft, sie als Illusion abstempelt, sie in der Vergangenheit auslöscht, ohne uns, wie es das passe simple tut, den Trost der Aktivität zu lassen - für mich eine unerschöpfliche Quelle mysteriöser Traurigkeit geblieben ist.« 9
Erst recht in Sylvie ist das Imperfekt das Tempus, das die Grenzen der Zeit verwischen soll. Es wird scheinbar großzügig, aber sehr wohlüberlegt eingesetzt, so wohlüberlegt, daß Nerval beim Übergang von der ersten zur zweiten Version von Sylvie ein Imperfekt hinzugefügt und ein anderes gestrichen hat. 1853 schreibt Jerard im ersten Kapitel, als er plötzlich entdeckt, daß er reich ist: »Que dirait maintenant, pensai-je, le jeune homme de tout à l’heure« (»Was würde jetzt, dachte ich, der junge Mann von vorhin sagen«) und dann: »Je frémis de cette pensée« (»Ich erzitterte bei diesem Gedanken«). 1854 macht er aus dem Passe simple pensai-je das Imperfekt pensais-je. Tatsächlich hat das Imperfekt hier die Funktion, den Gedankengang des Erzählers zu verdeutlichen, der ein durativer Gang ist: Jerard liebäugelt einen Moment lang mit der Idee, die umschwärmte Schauspielerin zu erobern, ohne sich jedoch zu entscheiden. Dann plötzlich, und erst in diesem Moment, nämlich mit der Rückkehr zum Passe simple (je frémis), verwirft er die Phantasie definitiv.
Umgekehrt hieß es in der Fassung von 1853 am Ende des zweiten Kapitels: Adrienne repartait, und in der Fassung von 1854 steht hier das Passe simple repartit. Man lese die Stelle nach. Bisher ist im Imperfekt erzählt worden, wie um die Szene ins Zwielicht zu tauchen, und erst in diesem Moment geschieht etwas, das nicht zum Traum gehört, sondern zur Wirklichkeit, und das ist ein punktuelles Geschehen. Tags darauf verschwindet Adrienne. Ihre Abreise ist
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