Die Buecher und das Paradies
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In Kapitel 5 erzählt Jerard, nach dem Ball habe er Sylvie und ihren Bruder nach Loisy begleitet und sei dann nach Montagny »zurückgekehrt«. Es liegt auf der Hand, daß er nur nach Mortefontaine zurückkehren konnte, zumal er den Weg durch ein Wäldchen nimmt, das zwischen Loisy und Saint-S*** liegt (worin sich der Ort Saint-Sulpice verbirgt, einen Katzensprung von Loisy entfernt); danach streift er den Rand des Waldes von Ermenonville, offensichtlich im Südwesten, und am Morgen, nachdem er geschlafen hat, sieht er links in der Nähe die Mauern des Klosters von Saint-S*** und rechts in der Ferne die Butte aux Gens d’Armes, die Ruinen der Abtei von Thiers und das Schloß von Pontarme, also lauter Lokalitäten im Nordwesten von Loisy, wohin er dann wieder zurückkehrt. Er kann also nicht den Weg nach Montagny eingeschlagen haben, das zu weit im Nordosten liegt.
Am Anfang von Kapitel 9 begibt sich Jerard vom Ort des Balls nach Montagny, dann geht er zurück nach Loisy, findet dort alle noch schlafend vor, wendet sich nach Ermenonville, läßt die »Einöde« links liegen, gelangt zum Grabmal Rousseaus und kehrt von dort nach Loisy zurück. Wäre er wirklich nach Montagny gegangen, hätte er einen sehr weiten Weg zurücklegen müssen, um dort hinzugelangen, nachdem er bereits durch die Gegend von Ermenonville gekommen war, und es wäre unsinnig, nach Loisy zurückzukehren - nochmals durch die Gegend von Ermenonville -, um dann zu beschließen, erneut in Richtung Ermenonville zu gehen und schließlich abermals nach Loisy zurückzukehren.
Gewiß kann dies auf biographischer Ebene bedeuten, daß Nerval sich entschlossen hatte, das Haus seines Onkels nach Montagny zu verlegen, dann aber nicht damit zurechtgekommen war und weiter (mit Labrunie) an Mortefontaine gedacht hat. Doch das braucht uns nicht weiter zu beschäftigen, es sei denn, wir wollten auf seinen Spuren gehen und die Wanderung wiederholen. Der Text ist dazu da, uns in ein Valois zu entführen, in dem sich die Erinnerung mit dem Traum vermengt, und er tut alles, um uns die Spur verlieren zu lassen.
Wenn das aber das so ist, warum soll man dann versuchen, um jeden Preis die Karte zu rekonstruieren? Ich glaube, daß normale Leser darauf verzichten, wie ich selbst es viele Jahre lang getan habe, denn es genügt, sich vom Zauber der Namen fesseln zu lassen. Schon Proust hat hervorgehoben, welche Macht die Namen in dieser Erzählung haben, und er schloß mit der Bemerkung, wer
Sylvie einmal gelesen habe, könne nicht umhin zu erschauern, wenn er zufällig in einem Eisenbahnfahrplan den Namen Pontarme lese. Doch er bemerkte auch, daß andere Ortsnamen, die ebenfalls in der Literaturgeschichte berühmt sind, nicht die gleiche Gefühlsaufwallung bewirken. Vielleicht weil die hier auftretenden Toponyme sich im Kopf (oder im Herzen) wie eine musikalische Tonfolge, eine petite phrase festsetzen?
Die Antwort scheint mir evident: weil sie wiederkehren. Die Leser zeichnen keine Karten, sondern hören (buchstäblich, wie man Töne hört), daß Jerard bei jeder Rückkehr ins Valois dieselben Orte berührt, in fast derselben Reihenfolge, wie wenn ein und dasselbe Motiv nach jeder Strophe wiederkehrt. Eine solche musikalische Form nennt man Rondo, und frz. rondeau kommt von ronde wie Runde, Reigentanz. So hören die Leser buchstäblich akustisch eine kreisförmige Struktur, und in gewisser Weise sehen sie sie auch, aber undeutlich, als handle es sich um eine spiralförmige Bewegung oder um eine sukzessive Überlagerung von Kreisen.
Darum lohnt es sich schon ein wenig, die Karte zu rekonstruieren, um visuell zu begreifen, was uns der Text akustisch hören läßt. Auf meiner Karte findet man ausgehend von Loisy drei exzentrische Kreise in unterschiedlicher Tönung. Sie stellen die drei wichtigsten Wanderungen dar - nicht die tatsächlich zurückgelegten Wege, sondern die vermutlichen Zonen der Exkursion. Der hellste Kreis umschreibt Jerards nächtliche Wanderung in Kapitel 5 (von Loisy nach Montagny -bzw. Mortefontaine -, aber mit einem Umweg an SaintS*** vorbei zum südwestlichen Rand des Waldes von Ermenonville, dann zurück nach Loisy, während in der Ferne Pontarme, Thiers oder die Butte aux Gens d’Armes zu sehen sind); der etwas dunklere Kreis umgreift Jerards
Wanderung in Kapitel 9 (vom Ort des Balls zum Haus des Onkels - der in Mortefontaine leben muß -, dann nach Loisy und weiter nach Ermenonville bis zum Grabmal Rousseaus; schließlich
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