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Die Buecher und das Paradies

Titel: Die Buecher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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in diesem College zu einem Verehrer Dantes geworden und dann sein Leben lang auch geblieben. Zwar bezieht er sich, wenn er von Dante spricht, immer nur auf die Divina Commedia, aber es gibt gute Gründe zu glauben, daß er auch eine gewisse Vertrautheit mit Dantes Ideen über die Ursprünge der Sprache hatte sowie mit seinem Projekt, eine neue, in sich vollkommene poetische Sprache zu erschaffen, wie Dante selbst es in seiner Abhandlung De vulgari eloquentia ausgedrückt hat. Auf jeden Fall muß Joyce in der Commedia deutliche Hinweise auf dieses Thema und im 26. Gesang des Paradiso auch eine neue Version der alten Debatte über das Thema der adamitischen Sprache gefunden haben.
    Die Schrift De vulgari eloquentia ist zwischen 1303 und 1305 verfaßt worden, also vor der Commedia. Obwohl sie wie eine gelehrte Abhandlung daherkommt, ist sie in Wirklichkeit ein Selbstkommentar, in dem der Autor tendenziell seine Methoden der künstlerischen Produktion analysiert, die er unausgesprochen mit dem Modell jedes poetischen Diskurses gleichsetzt.
    Nach Dante hatte es vor der Pluralität der Volkssprachen, also vor der Sünde von Babel, eine vollkommene Sprache gegeben, in welcher Adam mit Gott gesprochen hatte und in der auch Adams Nachkommen miteinander sprachen. Nach der babylonischen Verwirrung hatten sich die Sprachen vervielfacht, zuerst in den verschiedenen Teilen der Welt, dann innerhalb jener Zone, die wir heute die Romania nennen, durch Aufteilung in eine Sprache des st, eine Sprache des oc und eine Sprache des oil. Die Sprache des st, das Italienische, ist dann ihrerseits in eine Vielzahl von Dialekten zerfallen, die mitunter sogar von einem Stadtteil zum anderen variieren. Dieses Zerbrechen habe seinen Grund darin, so Dante, daß der Mensch ein instabiles Wesen sei, veränderlich in seinen Gebräuchen, Gewohnheiten und Sprechweisen, in der Zeit wie im Raum. Gerade um diese langsamen, aber unaufhaltsamen Veränderungen in der natürlichen Sprache zu kompensieren, hätten die Erfinder der Grammatik nach einer unveränderlichen Sprache gesucht, die sich in Raum und Zeit gleichbleibt, und diese Sprache sei das Latein gewesen, wie es in den Universitäten des Mittelalters gesprochen wurde. Aber Dante war auf der Suche nach einer italienischen Volkssprache, und dank seiner dichterischen Bildung und seiner Kontakte als umherreisender Exilant lernte er sowohl die verschiedenen italienischen Dialekte als auch die verschiedenen europäischen Volkssprachen kennen. In seiner Schrift De vulgari eloquentia geht es darum, eine würdigere und edlere Sprache zu finden, und daher macht er zunächst eine strenge kritische Analyse der italienischen Dialekte. Da die besten Dichter sich, jeder auf seine Weise, von ihren regionalen Dialekten entfernt hätten, böte sich die Möglichkeit, einen »edlen Dialekt« zu finden, ein volgare illustre, das würdig genug wäre, im Königspalast eines nationalen Reiches gesprochen zu werden, wenn denn die Italiener je eines hätten. Es müßte sich um einen Dialekt handeln, der allen italienischen Städten gemeinsam wäre und keiner im besonderen gehörte, eine Art ideales Modell, dem sich die besten Dichter annäherten und an dem alle bestehenden Dialekte zu messen sein würden.
    Im Gegensatz zur Verwirrung der verschiedenen Sprachen scheint Dante also eine poetische Sprache ähnlich der Sprache Adams vorzuschlagen, eine, die jener poetischen Sprache entspricht, als deren Begründer er sich nicht ohne Stolz betrachtet. Diese vollkommene Sprache, der Dante nachjagt wie einer »duftenden Pantherkatze«, taucht da und dort in den Werken jener Dichter auf, die Dante als die größten betrachtet, wenn auch noch eher ungeformt, noch nicht mit festen Regeln versehen und noch nicht mit klaren grammatischen Grundsätzen ausgestattet.
    In dieser Lage, angesichts der Existenz von Dialekten, die natürlich, aber nicht universal sind, sowie der lateinischen Grammatik, die universal, aber künstlich ist, jagt Dante seinem Traum einer Wiederherstellung jener paradiesischen Sprache nach, die gleichzeitig natürlich und universal war. Doch anders als jene, die später versuchen werden, das Hebräisch der paradiesischen Ursprünge wiederzufinden, will Dante die ursprüngliche Lage mit einem Akt moderner Erfindung neu schaffen. Das volgare illustre, für das seine eigene poetische Sprache ein Beispiel sein sollte, ist die Art und Weise, wie der »moderne« Dichter die Wunde nach Babel heilen wird.
    Aus dieser kühnen

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