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Die Buecher und das Paradies

Titel: Die Buecher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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mittelalterlichen Tradition mit jenem Dionysius Areopagita gleichgesetzt wurde, der zur Zeit des Apostels Paulus gelebt hatte -, und da auch diese Zuschreibung falsch war und man nicht einmal weiß, ob Dionysius wirklich ein Dionysius war, ist der wahre Autor des Corpus in jedem Fall ein Pseudo-Dionysius Areopagita und nicht ein Pseudo-Areopagita Dionysius. Doch am University College hatte Joyce nur Latein, Französisch, Englisch, Mathematik, Naturphilosophie und Logik studiert, nicht Philosophie des Mittelalters. Auf jeden Fall aber sind die Analogien zwischen den Behauptungen der irischen Grammatiker und der Suche nach einer vollkommenen poetischen Sprache bei Joyce so überraschend, daß es sich lohnt, nach weiteren Assoziationen zu suchen.
    Immer im Blick auf sein Ziel, sich eine poetische Sprache zu erfinden, kannte Joyce, auch wenn er nur ungenaue Vorstellungen von den altirischen Traditionen besaß, relativ gut einen Text, den er zum ersten Mal explizit in seinem Triestiner Vortrag erwähnt: das Book of Kells.
    Als Student hatte er das Original sicher im Trinity College gesehen, und später erwähnte er eine Reproduktion, The Book of Kells, described by Sir Edward Sullivan, and illustrated with twenty-four plates in colour (London/Paris/New York, Studio Press, 2. Auflage, 1920). Ein Exemplar davon schenkte er übrigens Miss Weaver zu Weihnachten 1922.
    Kürzlich habe ich in einem Vorwort zu der prächtigen Faksimile-Ausgabe des Manuskripts 4 darauf hingewiesen, daß diesem Meisterwerk der irischen Buchkunst ein allgemeines »Gemurmel« vorausgegangen und gefolgt ist, und ich bin sicher, daß Joyce von diesem Gemurmel irgendwie beeinflußt war. Vorgestern habe ich einen Nachmittag (den zweiten in meinem Leben) am magischsten Ort von Irland verbracht, bei den Sieben Kirchen von Clonmacnoise, und dabei ist mir erneut klargeworden, daß niemand, auch wer noch nie etwas von den irischen Grammatikern oder dem Book of Kells, von Durrow, von Lindisfarne oder von Dun Cow gehört hat, dieses Panorama und diese alten Steine betrachten kann, ohne das Gemurmel zu hören, das die Geburt und das tausendjährige Leben des Book of Kells begleitet hat.
    Die Geschichten der lateinischen Kultur vor dem Jahr 1000 verzeichnen, insbesondere zwischen dem siebten und zehnten Jahrhundert, die Entwicklung der sogenannten »hisperischen Ästhetik«, das heißt eines neuen Stils, der sich von Spanien über Gallien und Britannien bis nach Irland ausbreitet. 5 Die klassisch-lateinische Tradition bezeichnete (und verurteilte) diesen Stil als »asiatisch« und später »afrikanisch«, im Gegensatz zum wohlausgewogenen »attischen« Stil. Schon Quintilian hatte in seiner Institutio Oratoria (XII, 79) hervorgehoben, was der vollendete Stil zu bieten habe, nämlich magna non nimia, sublimia, non abrupta, fortia non temeraria, severa non tristia, gravia non tarda, laeta non luxuriosa, iucunda non dissoluta, grandia non tumida (»das Große, nicht das Überbordende, das Erhabene, nicht das Abrupte, das Starke, nicht das Unbesonnene, das Ernste, nicht das Trübsinnige, das Schwere, nicht das Träge, das Fröhliche, nicht das Schwelgerische, das Freudige, nicht das Lockere, das Grandiose, nicht das Aufgeblasene«). Nicht nur die römisch-griechische, auch die frühchristliche Rhetorik verurteilte das, was sie kakozelön oder mala affectatio nannte, Affektiertheit und Vorliebe für das Ausgefallene. Als Beispiel dafür, wie sich die Kirchenväter zu Anfang des fünften Jahrhunderts über Fälle dieser mala affectatio erregten, lese man folgende Schmährede des Hieronymus (Adversus Jovinianum, I): »Es gibt heutzutage so viele barbarische Schreiber, und die Rede wird durch so viele schlimmste stilistische Laster entstellt, daß man weder zu erkennen vermag, wer da spricht, noch mit welchen Argumenten er das Gesagte beweisen will. Alles bläht sich auf, alles liegt darnieder: es erhebt sich für einen Augenblick und bricht wie eine geschwächte Schlange bereits im Aufschwung zusammen ... Alles verknäuelt sich zu so unentwirrbaren Wörterknoten, daß man mit Plautus ausrufen möchte: >Das versteht ja niemand außer der Sibylle!< Was sollen all diese Wortungetüme?«
    Man könnte meinen, dies sei die gehässige Beschreibung einer Seite des Book of Kells oder des Finnegans Wake, verfaßt von einem Traditionalisten - und vielleicht hätte Hieronymus tatsächlich angesichts unseres Buches so reagiert. Doch in der Zwischenzeit hat sich etwas Entscheidendes

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