Die Buecher und das Paradies
Worten nicht ausdrückbare, widersprüchliche, unfaßbare Wirklichkeit verweist, setzt sich im Abendland erst mit der Verbreitung der hermetischen Schriften durch und erfordert einen sehr »starken« Neuplatonismus. Doch kaum ist das Gefühl für die jähen Erleuchtungen, die uns die dunklen Reden des Hermes Trismegistos bieten, zu einer Mode, einem Stil, einer koiné geworden, regt sich auch hier sofort der einst mittelalterliche und nun hermetische Wille, das Symbol einzufangen und ihm einen sozialisierbaren Sinn zu verleihen.
Interessanterweise war die Barockzeit am fruchtbarsten in der Produktion, ja Neuerfindung von totemischen Objekten - ich meine die Wappen, Devisen und Embleme;
und interessanterweise sprach man bei ihnen stets von Symbolen. Syntagma de symbolis hieß einer der berühmtesten Kommentare zu Alciatos Emblemata, von Symtblicarum Quaestiones spricht Bocchi, von Mundus Symbolicus Picinelli, ebenso der Scarlatino des Homo Figuratus et Symbolicus. Doch was diese Symbole sind, erklärt Tesauro in seinem Cannochiale Aristotelico: »Das Symbol ist eine Metapher, die mittels irgendeiner offenbaren Figur einen Begriff bedeutet.«
In dieser Verherrlichung der Symbole manifestiert sich stets ein dogmatischer Wille zum Kommentar, das heißt zur Entschlüsselung. Ehrfurchtgebietende Bände machen uns sprachlos angesichts ihrer ikonologischen Ausstattung mit wie aus Träumen entsprungenen Bildern, lebensecht und detailgenau abgebildeten Leichnamen, Paradies für Psychoanalytiker, die nicht vorhaben, den monumentalen Kommentar dazu zu lesen. Geht man jedoch zu diesem Kommentar über, so stellt man bald fest, daß er den Leser Schritt für Schritt und nicht ohne Redundanz zur exaktesten, wenn auch spitzfindigsten Entschlüsselung jeder Figur führt, um eine und immer nur eine Moral aus ihr zu ziehen.
Großartig und bewegend ist hier die Unternehmung von Athanasius Kircher, der sich in den Kopf gesetzt hatte, die Geheimnisse der altägyptischen Schrift zu enträtseln. Er befand sich in einer privilegierten Lage, da er etwas vor sich hatte, was einem Emblem oder einem Wahlspruch glich, zu dem jedoch kein Alciato, Valeriano oder Ferro den Schlüssel liefern konnte. Alte und wohlbekannte Bilder bekommen, wenn sie nicht mehr von einer christlichen (oder heidnisch-antiken) Tradition, sondern von den altägyptischen Göttern selbst überliefert scheinen, einen anderen Sinn als den, den sie in den moralisierenden Bestiarien hatten. Die biblischen Verweise, die hier fehlen, werden ersetzt durch Anspielungen auf eine unbestimmtere Religiosität voll dunkler Verheißungen. Die Hieroglyphen werden als initiatische Symbole gesehen.
Sie sind für Kircher Symbole, weil sie auf einen verborgenen, unbekannten Inhalt mit vielen Bedeutungen und reich an Mysterien verweisen. Im Unterschied zur Konjektur, die von einem offenkundigen Symptom auf seine Ursache schließen läßt, ist das Symbol »ein bedeutsames Merkmal eines verborgeneren Geheimnisses, will sagen, die Natur des Symbols besteht darin, unsere Seele vermittels gewisser Ähnlichkeiten zum Verständnis von etwas zu führen, das sehr verschieden von den Dingen ist, die unseren äußeren Sinnen dargeboten werden; und seine Eigenheit besteht darin, unter dem Schleier eines dunklen Ausdrucks verhüllt oder verborgen zu sein [...]. Es ist nicht aus Worten gebildet, sondern drückt sich allein durch Merkmale, Charaktere, Figuren aus« (Obeliscus Pamphilius, II, 5, S. 114 - 120).
Sie sind initiatische Symbole, weil die Faszination der ägyptischen Kultur auf der Tatsache beruht, daß die Weisheit, die sie verspricht, im unergründlichen und unentschlüsselbaren Gehege eines Rätsels eingeschlossen ist, das sie der Neugier des profanen Volkes entzieht. Um es nochmals zu sagen, für Kircher symbolisiert die Hieroglyphenschrift etwas Heiliges (in diesem Sinne sind alle Hieroglyphen Symbole, was aber nicht umgekehrt gilt), und ihre Kraft beruht darin, daß sie den Profanen verschlossen ist.
Wenn dem so wäre, hätte die barocke Welt ihre Schrift des Unergründlichen erfunden. Kircher will es so, und er delektiert sich daran mit glühendem Eifer in seiner Widmung an den Kaiser, die seinen Oedipus Aegyptiacus eröffnet:
Vor Deinen Augen, Allerheiligster Caesar, entfalte ich hier das vielgestaltige Reich des Hieroglyphischen Morpheus: ein Theater, gebildet aus einer immensen Vielfalt von Monstren, und zwar nicht nackten Monstren der Natur, sondern so reich geschmückt mit
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