Die Buecher und das Paradies
rätselhaften Chimären einer uralten Weisheit, daß ich dir anvertraue, ihr scharfsinniger Geist könnte zu unermeßlichen Wissensschätzen führen, nicht ohne Vorteil für die Literatur. Hier der Hund von Bubastis, der Saitische Löwe, der Mendesische Bock, das schreckliche Krokodil mit seinem grausig aufgerissenen Rachen, sie alle enthüllen die verborgenen Bedeutungen der Gottheit, der Natur, des Geistes der Antiken Weisheit, unter dem schattenhaften Spiel der Bilder. Hier die immerdurstigen Dipsoden, die bissigen Vipern, die listenreichen Ichneumone, die grausamen Flußpferde, die monströsen Drachen, die Kröte mit geblähtem Bauch, die Schnecke mit gewundener Muschel, die haarige Raupe und zahllose Ungeheuer, sie alle zeigen die wunderbar geordnete Kette, die sich in den Sakrarien der Natur entrollt. Es präsentieren sich hier tausend exotische Arten von Dingen in anderen und wieder anderen Bildern, verwandelt durch Metamorphose, konvertiert zu menschlichen Gestalten und wieder rückverwandelt zu sich selbst in wechselseitiger Verflechtung, die tierische Wildheit mit der Menschlichkeit und diese mit der kunstvollen Gottheit; und schließlich die Göttlichkeit selbst, die, um es mit Porphyrius zu sagen, das ganze Universum durchzieht und mit allen Wesen ein monströses Konnubium eingeht; worin sich nun, sublim ob des gescheckten Antlitzes, den hündischen Nacken erhebend, der Cynocephalus erhebt, dazu der schändliche Ibis und der Sperber, gehüllt in eine Maske mit Rammsporn [...] und wo auch, verlockend mit jungfräulich reinem Äußern, unter der Hülle des Skarabäus der Stachel des Skorpions sich verbirgt. [. Dies und noch vieles andere, vier Seiten lang aufgezählt] betrachten wir in diesem vielförmigen Naturtheater, ausgebreitet vor unseren Augen, unter dem allegorischen Schleier einer verborgenen Bedeutung.
Es ist gerade die Faszination der verborgenen Bedeutungen des Hieroglyphischen, derentwegen sich Kircher so um die altägyptische Schrift bemüht, im Gegensatz zu den schlichten und eindeutig kodifizierten Schriftzeichen der Chinesen, bei denen jedes Ideogramm einer präzisen Idee entspricht (was Francis Bacon faszinieren mochte, nicht aber ihn). Die ägyptischen Symbole »involvierten ideale Gesamtbegriffe« (integros conceptos ideales involvebant), und mit involvere meinte Kircher nicht umfassen und darbieten, sondern einhüllen und verbergen. Die Ikonen der Ägypter müssen für ihn so etwas wie verführerische Kokotten gewesen sein, die ihre Verehrer fortwährend in den Strudel einer unbefriedigten Erkenntnisleidenschaft zogen, ohne sich ihnen jemals hinzugeben.
Doch was tut Kircher nach diesen einleitenden Worten, über Tausende von Seiten in mindestens drei verschiedenen Werken? Er versucht sich an einer Entzifferung der Hieroglyphen, er legt seinen Ehrgeiz als Ägyptologe darein, uns zu enthüllen, welchen verborgenen Sinn jene Zeichen hatten, er übersetzt und ist überzeugt, in der einzig richtigen Weise zu übersetzen. Er irrt sich, wie wir heute wissen, aber es sind seine Absichten und nicht seine Resultate, über die wir hier zu urteilen haben. Champollion, der sich weniger irren sollte, vollführt letzten Endes die gleiche Operation wie Kircher, wenn auch in säkularerem Geist: Er sagt uns, daß es sich bei den Hieroglyphen um Zeichen handelt, um konventionelle Zeichen, die einen phonetischen Wert besaßen, er nimmt den Symbolen jede Ambiguität. Aber das hatte schon Kircher zu tun begonnen. Diejenigen, die später versuchen werden, weniger katholisch und weniger theologisch als er, diesen Hieroglyphen ein gewisses Maß an ungelöstem Geheimnis zu bewahren, verwandeln sie in Parteiabzeichen eines Okkultismus der billigen Sorte und sind in Wahrheit nicht fasziniert von ihrer Unergründlichkeit, sondern von der Sicherheit, die sie verleihen, als die rigiden Embleme, zu denen sie nunmehr geworden sind, daß es irgendwo noch ein Geheimnis gibt. Ein Geheimnis, das niemals enthüllt werden wird, nicht weil es unergründlich ist, sondern weil seine Verwalter beschlossen haben, es nicht zu ergründen, um es als Markenzeichen und Glücksversprechen an die Sammler des Absoluten oder die Stammkunden des freimaurerischen Grand Guignol verkaufen zu können.
Unsere Vorstellung vom Symbolischen radikalisert sich erst in einem säkularisierten Universum, in dem das, was das Symbol verhüllen und verbergen soll, nicht mehr das Absolute der Religionen ist, sondern das Absolute der Poesie. Wenn wir
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