Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind
kriegen uns nicht», sagte d’Evecque.
Soweit es Thomas’ Männer betraf, bestand der Zweck ihres Ritts darin zu plündern. Irgendwann, so glaubten sie, würden diese Übergriffe Berat zwingen, seine Truppen gegen sie zu führen, sodass es zu einer Schlacht kommen würde, und in der konnten sie, sofern Gott oder Teufel auf ihrer Seite stand, einige wertvolle Gefangene machen, die hohe Lösegelder einbringen würden, doch fürs Erste begnügten sie sich damit, zu stehlen und zu zerstören. Robbie ritt zum Kloster, Guillaume d’Evecque führte die übrigen Männer ins Dorf, und Thomas und Geneviève wandten sich nach Süden und erklommen den unwegsamen Pfad zu der zerstörten Burg.
Die gehörte einmal uns, dachte Thomas. Hier hatten seine Vorfahren gelebt. Doch er spürte noch immer nichts. Er sah sich nicht als Gascogner und erst recht nicht als Franzose. Er war Engländer. Dennoch betrachtete er die zerstörten Mauern und versuchte sich vorzustellen, wie es war, als die Festung noch unversehrt und von seiner Familie bewohnt gewesen war.
Er und Geneviève banden die Pferde an den Überresten des Tors fest und kletterten über herumliegende Steine in den ehemaligen Burghof. Von der Außenmauer war kaum noch etwas übrig; die Dorfleute hatten die Steine genommen, um Häuser und Ställe daraus zu bauen. Das Größte, was noch stand, war der Turm, doch selbst der war halb zerstört und bot seine Südseite offen dem Wind dar. Im Innern war auf halber Höhe ein Kamin zu sehen, und große, herausragende Steine zeigten an, wo die Querbalken gewesen waren, die einst die Holzdielen getragen hatten. An der Ostflanke wand sich eine ramponierte Treppe nach oben, die ins Nichts führte.
Neben dem Turm standen die Überreste einer Kapelle. Ihr Boden bestand aus Steinplatten, und in eine von ihnen war Thomas’ Wappen eingemeißelt. Er legte seinen Bogen ab und hockte sich neben den Stein, in der Hoffnung, irgendein Gefühl von Zugehörigkeit zu verspüren.
Geneviève stand an der zerbröckelten Südmauer und sah hinunter ins Tal. «Eines Tages sagst du mir, warum du hier bist.»
«Um zu plündern», erwiderte Thomas knapp.
Sie nahm den Helm ab und lächelte. «Hältst du mich für eine Närrin, Thomas?»
«Nein», sagte er vorsichtig.
«Du kommst den ganzen weiten Weg von England», sagte sie, «eroberst eine kleine Stadt namens Castillon d’Arbizon, und dann reitest du zu diesem gottverlassenen Nest. Auf dem Weg lagen ein Dutzend Dörfer, die wir hätten plündern können, aber du willst unbedingt hierhin. Und dort auf dem Stein ist dasselbe Wappen wie auf deinem Bogen.»
«Es gibt viele Wappen», sagte Thomas, «und oft ähneln sie sich.»
Sie schüttelte nur den Kopf. «Was ist das für ein Tier?»
«Ein Greif», sagte er. Der Greif war ein Fabelwesen, erfunden von den Herolden, mit Reißzähnen, Klauen und Schuppen bewehrt. Auf dem Abzeichen, das Thomas auf seinem Bogen trug, hielt der Greif einen Kelch hoch, doch der Greif auf der Steinplatte hielt nichts in seinen Klauen.
Geneviève sah an Thomas vorbei zu d’Evecques Männern, die Vieh in einen Pferch trieben. «Wir haben viele Geschichten gehört, mein Vater und ich, und er mochte Geschichten, deshalb hat er versucht, sie sich einzuprägen, und abends hat er sie mir dann erzählt. Geschichten von Geistern oben auf den Hügeln, von Drachen, die über die Dächer fliegen, von Wundern, die sich an heiligen Quellen zugetragen haben, und von Frauen, die Ungeheuer gebaren. Es waren Hunderte von Geschichten. Aber eine haben wir immer wieder gehört, wenn wir in diese Gegend kamen.» Sie verstummte.
«Und was war das für eine Geschichte?», fragte Thomas. Eine Windbö spielte mit den langen, feinen Strähnen ihres Haares. Sie war längst alt genug, es zusammenzubinden und sich damit als Frau zu kennzeichnen, doch sie trug es gerne offen, und Thomas fand, dass sie damit noch mehr wie eine draga aussah.
«Es war die Geschichte von den Schätzen der Katharer.»
Die Katharer waren Vorläufer der Beginen gewesen, Ketzer, die die Autorität der Kirche nicht akzeptierten. Die Ketzer waren im Süden sehr einflussreich, bis die Kirche, unterstützt vom französischen König, sie vernichtet hatte. Ihre Scheiterhaufen waren schon vor hundert Jahren erloschen, doch noch immer kursierten Gerüchte über die Katharer, und einige Kirchenmänner behaupteten, ihre sündige Lehre existiere nach wie vor an abgelegenen Orten. «Die Schätze der Katharer», wiederholte Thomas
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