Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind
hinter diesem Haus», sagte der Abbé ruhig, «dem Haus, das du, mein Sohn, ausrauben wolltest. Oder etwa nicht?»
«Ja», gab Robbie zu.
«Stattdessen bist du jetzt hier, um das Brot mit mir zu brechen.» Die klugen Augen des Abbés musterten Robbie aufmerksam. «Gibt es etwas, das du mir sagen willst?»
Robbie runzelte die Stirn und sah ihn fragend an. «Woher wisst Ihr das?»
Planchard lachte. «Wenn ein Soldat zu mir kommt, für den Kampf gerüstet, aber mit einem Kruzifix über dem Kettenhemd, dann weiß ich, dass er Gott nicht gleichgültig gegenübersteht. Du trägst ein Zeichen, mein Sohn» – er deutete auf das Kruzifix –, «und auch mit fünfundachtzig Jahren kann ich ein Zeichen noch erkennen.»
«Fünfundachtzig!», rief Robbie staunend aus, doch der Abbé sagte nichts weiter; er wartete. Robbie rang eine Weile mit sich, dann sprudelte er hervor, was ihm auf der Seele lag. Er erzählte, wie sie nach Castillon d’Arbizon gekommen waren und die Begine im Kerker gefunden hatten und wie Thomas ihr das Leben gerettet hatte. «Es lässt mir keine Ruhe», sagte Robbie und starrte auf den Rasen. «Ich habe das Gefühl, dass uns nichts Gutes widerfahren wird, solange sie lebt. Schließlich hat die Kirche sie verurteilt!»
«Ja, das hat sie», sagte Planchard und schwieg.
«Sie ist eine Ketzerin! Eine Hexe!»
«Ich habe von ihr gehört», sagte Planchard ruhig. «Und man hat mir berichtet, dass sie lebt.»
«Sie ist hier!», rief Robbie aufgebracht und deutete auf das Dorf. «Hier in Eurem Tal!»
Der Abbé betrachtete Robbie, sah eine ehrliche, offenherzige Seele, die jedoch in Aufruhr war, und seufzte. Er schenkte ein wenig Wein ein und schob dem jungen Mann das Brett mit Brot, Käse und Honig zu. «Iss», sagte er sanft.
«Es ist nicht recht!», ereiferte sich Robbie.
Planchard selbst aß nichts, aber er nippte an dem Wein. Dann sprach er leise, den Blick auf die Rauchwolke gerichtet, die vom Dorf aufstieg. «Die Sünden der Begine sind nicht deine, mein Sohn. Und auch dass Thomas sie errettet hat, ist nicht deine Schuld. Warum sorgst du dich um die Sünden anderer?»
«Ich sollte sie töten!»
«Nein, das solltest du nicht», sagte der Abbé entschieden.
«Nicht?» Robbie klang überrascht.
«Wenn Gott das gewollt hätte, hätte er dich nicht hierhergeschickt. Gottes Ziele sind nicht immer leicht zu verstehen, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass Seine Wege nicht so verschlungen sind wie unsere. Wir komplizieren Gott, weil wir nicht sehen, dass Güte ganz einfach ist.» Er schwieg einen Moment. «Du hast gesagt, euch würde nichts Gutes widerfahren, solange sie lebt, aber warum sollte Gott wollen, dass euch Gutes widerfährt? Diese Gegend hat in Frieden gelebt, von einigen Räubern abgesehen, und ihr zerstört diesen Frieden. Würde Gott euch noch gewalttätiger machen, wenn die Begine stürbe?»
Darauf wusste Robbie nichts zu sagen.
«Du erzählst mir von den Sünden anderer.» Die Stimme des Abbés wurde energischer. «Aber über deine Sünden sprichst du nicht. Trägst du das Kruzifix für andere? Oder für dich?»
«Für mich», sagte Robbie leise.
«Dann erzähl mir von dir.»
Und das tat Robbie.
Joscelyn, Herr von Merville und zukünftiger Erbe der Grafschaft Berat, knallte seinen Brustpanzer so heftig auf den Tisch, dass kleine Staubwolken aus den Ritzen im Holz aufstiegen.
Sein Onkel, der Graf, runzelte die Stirn. «Es gibt keinen Grund, auf das Holz zu schlagen, Joscelyn», sagte er ruhig. «In dem Tisch sind keine Holzwürmer. Das hoffe ich zumindest. Er wird regelmäßig mit Terpentin imprägniert.»
«Mein Vater schwor auf eine Mischung aus Lauge und Urin», sagte Vater Roubert «und gelegentliches Sengen.» Er saß dem Grafen gegenüber und sah die angeschimmelten alten Pergamente durch, die niemand angerührt hatte, seit sie vor hundert Jahren aus Astarac herübergeschafft worden waren. Einige waren an den Rändern verkohlt, Spuren des Feuers, das in der zerstörten Burg gelegt worden war.
«Lauge und Urin? Das muss ich mal ausprobieren.» Der Graf kratzte sich unter seiner Wollhaube und blickte zu seinem wütenden Neffen auf. «Du kennst doch Vater Roubert, Joscelyn? Ach, natürlich kennst du ihn.» Er musterte ein weiteres Dokument, sah, dass es ein Gesuch war, die Stadtwache von Astarac um zwei Mann zu verstärken, und seufzte. «Wenn du des Lesens mächtig wärst, Joscelyn, könntest du uns helfen.»
«Ich helfe Euch, Onkel», sagte Joscelyn aufgebracht.
Weitere Kostenlose Bücher